EMS-Training: Ist herkömmliches Krafttraining out?

Mann und Frau betreiben ein EMS-Training

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EMS-Training ist derzeit angesagt wie nie zuvor. Doch wusstest du, dass die Arbeit mit elektrischen Impulsen keine Neuheit ist? Bereits 200 Jahre v. Chr. wurde in Kleinasien natürliche Elektrizität verwendet, um Kopfschmerzen zu heilen. Seit jeher wurden die kleinen Stromschläge hauptsächlich für Therapie- oder Rehabilitationsmassnahmen angewandt. Im Jahr 2003, mit der Veröffentlichung eines Ganzkörper-EMS-Gerätes, schwappte der Trend auch auf die Fitnessbranche über und ist seitdem für viele Sportler und Sportlerinnen nicht mehr wegzudenken. Im Vergleich zu herkömmlichem Krafttraining sei ein Workout mit elektrischen Reizen besonders effizient. Ohne grossen Aufwand sollen in kürzester Zeit Muskeln aufgebaut und Körperfett reduziert werden. Wir haben nachgeforscht, was dahintersteckt.

Was ist EMS-Training?

EMS bedeutet ausgeschrieben «Elektrische Muskelstimulation». Anhand des Namens lässt sich bereits erraten, um was es sich handelt. Vor der Workoutsession werden Elektroden auf deiner Haut platziert, die deine Muskeln durch kleine Stromschläge während des Trainings stimulieren. Meist findest du sie in Form eines Anzuges, einer Weste oder eines Gürtels vor, welche während des gesamten Trainingsverlaufs getragen werden müssen. EMS-Training ist also eine Verknüpfung von eigener Körperarbeit und elektrischen Reizen.

 

Wird eine Übung – meist einfache wie die klassische Kniebeuge – durchgeführt, verharrst du längere Zeit in dieser Position, um den Muskel möglichst lange zu beanspruchen. Diese Art von Übungen wird als isometrisch bezeichnet. Während du die Übung ausübst, wird die Muskelgruppe, die in diesem Moment im Einsatz ist, doppelt stimuliert. Zum einen durch deine eigene Körperkraft und zum anderen durch die elektrischen Impulse.

 

Das Gehirn kann die unterschiedlichen Anreize nicht unterscheiden, weshalb ein Workout mit kleinen Stromschlägen den Muskel dazu veranlasst schneller und effektiver zu wachsen.

 

Während des Trainings wird man von qualifizierten Trainern und Trainerinnen betreut, die dir Anweisungen geben und die Intensität der Stromschläge kontrollieren können. Du brauchst also keine Angst haben, dass das Gerät zu stark eingestellt ist. Alles wird auf deine Bedürfnisse und dein Wohlbefinden abgestimmt. Mehr als ein leichtes Kribbeln solltest du während des Workouts nicht spüren. Von dem Gebrauch elektrischer Muskelstimulation ohne einen professionellen Trainer raten wir dir ab.

 

Es differenzieren sich zwei verschiedene Arten des Trainings heraus: lokales und Ganzkörper (GK)-EMS-Training. Wie sind sie zu unterscheiden?

Lokales EMS-Training

Bei lokalem EMS-Training wird gezielt nur eine Muskelgruppe stimuliert, was die Effektivität massgeblich erhöht. Vier Elektrodenpaare werden auf deiner Haut befestigt. Um die Elektroden an genau den richtigen Stellen zu fixieren, bedarf es überdurchschnittliche Kenntnisse von Seiten des Trainers. Aus diesem Grund ist lokale Muskelstimulation die weniger populäre Variante. Hauptsächlich findet sie Nutzen bei Therapien, da mit dieser Methode gezielte Muskeln, beispielsweise nach einem Unfall, wieder zum Leben erweckt werden können.

GK-EMS-Training

Im Gegensatz zu lokalem Training, werden beim GK-EMS-Training acht bis zehn Elektroden auf deinem Körper angebracht. Die bestmögliche Leitfähigkeit wird erreicht, indem die Elektroden zusätzlich mit Wasser angefeuchtet werden. Bei dieser Trainingsmethode werden verschiedene Muskelgruppen gleichzeitig belastet und stimuliert, dadurch gibt es eine Vielzahl an Übungen, von denen du Gebrauch machen kannst. Zwar werden die einzelnen Muskelgruppen nicht so stark trainiert wie bei gezielter Stimulation, dafür ist es vielfältiger und du bewegst deinen ganzen Körper. GK-EMS-Training ist die Variante, die du in Fitnessstudios vorfinden wirst, da bei dieser Methode Trainer mit physiologischen Grundkenntnissen ausreichen.

Warum ist EMS-Training so beliebt?

Bereits 2019 gab es in Deutschland über 1`300 EMS-Einrichtungen. Es lässt sich vermuten, dass die Anzahl bis heute weiter angestiegen ist. Doch warum treffen Workouts mit elektrischen Impulsen auf derartigen Erfolg?

 

Grundsätzlich können mit elektrischer Muskelstimulation die gleichen Ergebnisse wie bei konventionellem Krafttraining erzielt werden. Der Zeitraum ist in diesem Fall der Faktor, der die beiden Methoden voneinander unterscheidet. Bei einer Studie wurde das Muskelstimulationstraining mit herkömmlichen Krafttraining verglichen und festgestellt, dass auf beide Weisen Muskeln aufgebaut werden können. Auch die Reduzierung von Körperfett ist bei beiden Varianten möglich und die Unterschiede in der Effektivität sind minimal. Überraschend ist jedoch, dass sich der Muskelquerschnitt der Probanden nach einem 5-wöchigem Trainingsprogramm mit elektrischer Muskelstimulation um 8% vergrössert hat. Bei gewöhnlichem Krafttraining wurde im gleichen Zeitumfang nur eine Ausdehnung von 2% erreicht.

 

Innerhalb drei Wochen kann der Sportler oder die Sportlerin erste Ergebnisse erkennen, obwohl nur höchstens 2 Workoutsessions à 15 bis 30 Minuten in der Woche nötig sind. Deshalb ist Sport mit elektrischen Impulsen besonders beliebt bei Menschen, die keine oder wenig Zeit haben mehrmals wöchentlich das Fitnessstudio zu besuchen und Krafttraining zu betreiben.

 

Nicht nur ist ein Workout mit elektrischen Impulsen extrem zeitsparend, es kann auch positive Effekte auf Krankheiten wie Bluthochdruck oder Diabetes haben und Krebspatienten dabei helfen den Erhalt ihrer Muskeln zu sichern.

 

Die Fitnesserfolge mit elektrischer Muskelstimulation greifen auch auf andere sportliche Aktivitäten über. Eine gesteigerte Ausdauer und Sauerstoffzunahme sind für jeden Menschen nützlich und wichtig für deine Gesundheit. Durch eben diese werden dir Sportarten wie Sprinten und Springen zukünftig leichter fallen, denn ist es bewiesen, dass sich deine Schnell- und Sprungkraft durch regelmässige Workouts mit kleinen Stromschlägen verbessert.

 

Für ein Workout mit elektrischen Reizen bedarf es ausser Strom keine schweren, umständlichen Gewichte, was das Training besonders interessant für ältere oder sportlich eingeschränkte Menschen macht, da es dadurch gelenkschonend ist.

 

Auch bietet es Anfängern einen guten Einstieg in die Fitnessbranche, weil kaum Vorkenntnisse und Ausdauer erforderlich sind, um mit dem Training zu starten. Nicht zu vergessen, dass du bei einem Workout mit elektrischer Muskelstimulation dauerhaft von qualifizierten Trainern und Trainerinnen betreut wirst, die dich unterstützen und für deine Sicherheit sorgen. Somit kann EMS-Training auch als Vorbereitung für konventionelles Krafttraining angesehen werden. Du wurdest bereits mit einigen Übungen vertraut gemacht und hast die nötige Kraft entwickelt, um mit Gewichten zu arbeiten.

Die Kehrseite von EMS-Training

Obwohl ein Workout mit elektrischen Reizen einiges bieten kann, hat es auch seine Schattenseiten. Im Vergleich zu herkömmlichem Krafttraining ist es sehr kostspielig. Eine Session im Fitnessstudio kann zwischen 20 und 25€ kosten und das für eine maximal 30-minütige Einheit. Ein Einzeltraining ist meist noch teurer. Für eine Mitgliedschaft in einer EMS-Einrichtung zahlst du etwa 80€ im Monat. Das ist ungefähr das doppelte wie der Mitgliedspreis in einem Fitnessstudio. Dazu kommt, dass du in einem herkömmlichen Gym so oft und lange du willst trainieren kannst, anstatt nur höchstens zwei Mal in der Woche.

 

Zwar ist elektrische Muskelstimulation nicht gesundheitsschädlich, solange du einen Trainer oder eine Trainerin an deiner Seite hast und du dich an die Vorgaben bezüglich der Häufigkeit hältst. Dennoch besteht das Risiko einer Überbelastung bei zu häufiger Anwendung. Das schädigt deine Nieren und sorgt für Ermüdungszustände.

 

Gesundheitlich betrachtet kannst du mit EMS-Training Muskeln aufbauen, deine Ausdauer verbessern und vieles mehr. Dabei werden jedoch weder die Knochen gestärkt noch die Mobilität des Bindegewebes erhöht. Die Stärkung deiner Knochen ist wichtig um Knochenbrüche, besonders im Alter, vorzubeugen. Bei fast allen herkömmlichen Sportarten ist die Stärkung der Knochen ein positiver Nebeneffekt, der bei einem Muskelstimulationsworkout nicht auftritt. Grund dafür ist die fehlende Belastung durch Gewicht auf Knochen, Bänder und Gelenke. Das ist allerdings kein Problem, solange du dein Training mit einer anderen Sportart, wie beispielsweise Joggen oder Krafttraining, kombinierst.

 

Wie wir bereits wissen, ist herkömmliches Krafttraining im Fitnessstudio genau so effektiv wie EMS-Workouts. Angesichts der Tatsache, dass eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio deutlich günstiger ist als in einem EMS-Studio, solltest du dir die Frage stellen, ob du wirklich zu wenig Zeit für das Gym hast. Früher oder später wirst du die gleichen Ergebnisse erzielen, wie bei einem Muskelstimulationstraining, es erfordert nur mehr Geduld und Motivation.

 

Genau an dieser Motivation fehlt es dir noch? Dann lese dir den Artikel 5 Tipps, die dir dabei helfen ein Motivationsloch zu überwinden durch.

Wie sicher ist EMS-Training?

Obwohl an Popularität kaum noch zu übertreffen, gibt es Menschen, die von Workouts mit Stromschlägen abgeneigt sind, weil sie die Sicherheit der Sportart anzweifeln. Ist diese Angst begründet?

 

Training mit elektrischer Muskelstimulation kann als sichere Sportart bezeichnet werden, solange man das Maximum an Trainingseinheiten nicht überschreitet und es nicht auf Alleingang versucht durchzuführen. Es ist immer empfehlenswert, einen ausgebildeten Trainer anwesend zu haben, der deine Sicherheit verantworten kann.

 

Von der Sportmedizin gibt es festgelegte Richtlinien, an die sich alle Einrichtungen, die Kurse mit elektrischer Muskelstimulation anbieten, halten müssen. Am sichersten ist eine Session in einer kleinen Konstellation, sprich zwei bis drei Sportler und ein Trainer. So verliert der Trainer nicht den Überblick und kann jedem Teilnehmer zur Seite stehen.

 

An einer Anweisung in das System kommst du als Einsteiger auch nicht vorbei. Der EMS-Anzug wird dir ausführlich erklärt und die Trainer und Trainerinnen nehmen sich Zeit für deine Fragen. Sollte sich irgendetwas während des Trainings nicht richtig anfühlen, bitten wir, dich sofort an deine Betreuer zu wenden!

 

Menschen, die schwanger sind oder eine Erkrankung des Herz-Kreislaufs-Systems haben, sollten nicht an einem Workout mit elektrischen Reizen teilnehmen. Das gleiche gilt für Menschen, die Entzündungen, Erkältungen oder sonstige Infektionen haben. In diesem Fall solltest du allerdings gar kein Sport treiben, egal welche Art. Solange du ausreichend Wasser trinkst, gesund und fit bist, steht deinem EMS-Training nichts im Wege.

 

Prof. Dr. Kemmler bestätigt, dass ein Workout mit elektrischen Reizen bei richtiger Anwendung keine negativen Folgen auf deine Gesundheit hat. Erstaunlicherweise stuft er es sogar, in Begleitung eines professionellen Trainers, als sicherer ein als gewöhnliches Krafttraining auf eigene Faust. Zu gross ist die Gefahr sich als unerfahrene Person bei den Übungen mit Gewichten zu verletzen. Aus diesem Grund raten wir Anfängern immer, sich die Übungen von Freunden oder Trainern zeigen zu lassen und mit möglichst wenig Gewicht in das Krafttraining einzusteigen.

 

Zurück zur Ausgangsfrage: Löst EMS-Training herkömmliches Krafttraining ab? Nein, Krafttraining ist und bleibt ein Klassiker in der Fitnessbranche und geniesst eine stetig anhaltende Beliebtheit. Dennoch können die EMS-Workouts eine gute Alternative für Menschen mit einem straffen Terminkalender darstellen. Welche Methode für dich die Richtige ist, probierst du am besten selbst aus. Sowohl Fitness- als auch EMS-Studios bieten Schnupperstunden an. Wir wünschen dir viel Spass dabei!

 

Wenn du noch mehr über Krafttraining erfahren möchtest, wirf auch einen Blick hier rein: HIT – High Intensity Training.

 

Autor: Mira Müller

 

Quellen:

https://www.bundesverband-pt.de/wp-content/uploads/2019/06/Artikel-im-Trainermagazin-%C3%BCber-safety-first.pdfhttps://physiotherapeuten.de/artikel/wege-aus-dem-ems-dschungel/https://www.fitnessmanagement.de/fitness/ems-gegen-hit-training/https://arsathletica.com/wp-content/uploads/2018/08/BA-Arbeit-Ilka-Hoffmann.pdfhttp://www.fitroom.de/vorteile-vom-ems-training/https://www.fitnessmanagement.de/fitness/die-ems-historiehttps://www.barmer.de/gesundheit-verstehen/bewegung-und-fitness/ems-training-1071434