Im Interview – the big bad Wolf – Dennis Wolf

geführt von Mark Dickenmann

interview dennis wolf

Foto: Gregory James

Mark: Hallo Dennis. Schön, dass du dir heute für das Interview Zeit genommen hast.

Dennis Wolf: Sehr gerne. Cool, dass es heutzutage noch solche Magazine gibt, das freut mich sehr.

In einem Youtube-Interview hast du erwähnt, dass du 1997 – damals warst du 19 Jahre alt – deine erste Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio gemacht hast, aber zuvor schon zuhause trainiertest. Wie alt warst du, als du daheim zu trainieren begonnen hast? War es tatsächlich nur der Gedanke, etwas Muskeln aufzubauen, um besser auszusehen oder gab es damals ein Schlüsselereignis in deinem Leben, das wir noch nicht kennen?

Ich habe mich schon früh aktiv in verschiedene Sportarten eingebracht. Bereits in der ersten oder zweiten Klasse habe ich zuhause schon Hanteltraining gemacht. Ich hatte von meinem Vater 2,5- bis 5-kg-Hanteln geschenkt bekommen. Durch die Sprachbarriere – ich war erst seit Kurzem in Deutschland – war es schwierig, mich gleich in einem Sportverein anzumelden. Basketball war zum Beispiel etwas, was mir damals gut gefiel. So habe ich dann lieber erst mal in meinen eigenen vier Wänden etwas Krafttraining gemacht. Es ist auch schon ziemlich lange her und ich denke, ich wollte tatsächlich einfach ein bisschen besser aussehen, aber natürlich hat es mir auch von Beginn an richtig Spass gemacht.

Zum Wettkampf-Bodybuilding bist du ja durch Mike Schulz gekommen. Wie hat sich das angefühlt, beim ersten Wettkampf gleich den zweiten Platz zu holen; warst du überrascht und glücklich oder doch eher enttäuscht, weil du insgeheim auf den ersten Platz gehofft hast?

Ich hatte damals keine Vorstellung davon, was es heisst, auf der Bühne zu stehen. Ich hatte nie einen Live-Wettkampf gesehen und kannte das nur aus den Videos und Zeitschriften. Es war einfach ein tolles Gefühl, dabei zu sein. In meinem Fitnessstudio wurde ich unter den Trainingskumpels auch gefeiert, schliesslich hatte schon seit Jahren keiner von ihnen mehr an einem Wettkampf teilgenommen. Den Rest interessierte es allerdings nicht, da die meisten es nicht einmal mitbekommen hatten. Aber für mich hat nur das gezählt, was ich erreichen wollte. Das war mir immer das Wichtigste und hat mich überglücklich gemacht: Am Wettkampf teilzunehmen und sogar eine gute Platzierung zu erreichen.

Wann war der Zeitpunkt, als du entschieden hast, dich voll und ganz dem Bodybuilding zu verschreiben und was hat dir bei der Entscheidung geholfen?

Im Prinzip ergab sich eines nach dem anderen. Meine Pläne waren klar und ich hatte Ziele als junger Mensch. Im Vordergrund stand vor allem die Arbeit, denn Arbeit ist wichtig, um alles finanzieren zu können, auch meine Leidenschaft «Bodybuilding», das damals nur Hobby war. Als ich dann den Job verloren und bei einer anderen Firma angefangen hatte, drängte sich irgendwann die Frage auf, den Fokus voll und ganz auf den Sport zu richten. Ich entschied mich zusammen mit meiner Frau, nur noch nebenher zu arbeiten und mich gänzlich mit dem Bodybuilding zu beschäftigen.

Ich wurde ja bereits als Amateur für diverse Auftritte gut gebucht und war viel unterwegs. Auch die Bezahlung war ganz in Ordnung, sodass ich über ein gutes Einkommen verfügte. So habe ich dann zwei oder drei Jahre als Security gearbeitet, bis ich Weltmeister und schliesslich auch Profi wurde. Als Profi ging es dann schnell aufwärts: Die Firmen kamen auf mich zu und wollten mich sponsern. Von da an konnte ich mich einem geregelten Bodybuilder-Alltag widmen und auch öfter auftreten. Die Entscheidung fiel mir daher auch nicht mehr schwer, da ich schon weit fortgeschritten war und mein Traum und meine Ziele feststanden. Als Profi muss man auch vom Bodybuilding leben können.

Wie hat dein Umfeld auf diese Entscheidung bzw. auf deinen Weg reagiert?

Die haben das sehr gut angenommen, auch wenn wahrscheinlich der eine oder andere anfangs nicht gedacht hätte, dass ich mich dem Bodybuilding ernsthaft verschreiben würde, obwohl ich in einem Jahr ca. 20 kg Muskelmasse zugelegt hatte. Meine Kumpels und Familie waren schon bei den ersten Wettkämpfen dabei und haben mich angefeuert. Ich musste mir auch nicht irgendwelche Sprüche anhören, ich hätte zu wenig Zeit oder dergleichen. Mit den Kumpels hat man sich dann einfach nach dem Training getroffen. Mit der Zeit, als ich immer breiter wurde, war ich dann fast schon eine Attraktion. Bei mir war es wirklich überwiegend positiv. An Negatives kann ich mich kaum erinnern, ausser vielleicht an ein paar Diskotheken, die mir und meinen Kumpels ohne Begleitung von Frauen den Eintritt verweigerten. Ich weiss nicht, an was es lag, vielleicht sah ich zu gefährlich aus. *lacht*.

Mit welchen Trainingsmethoden hast du die besten Fortschritte erzielt? Was würdest du unter keinen Umständen mehr machen?

Fast während meiner ganzen Karriere trainierte ich nach dem Volumenprinzip, also mit jeweils mehreren Sätzen pro Muskelgruppe. Das hat sehr gut funktioniert. Ca. 1,5 Jahre habe ich nach dem «Dorian Yates System» geübt, was wirklich auch sehr gut funktionierte. Das einzige Problem: Die letzten zwei bis drei Wiederholungen sind die allerwichtigsten und entscheidend und man muss immer jemanden dabeihaben, der versteht, wie es funktioniert. Da war die Angst dann doch zu gross, dass mal nicht die richtige Person zur Seite steht und ich das System nicht optimal nutzen kann. So war es dann auch, dass ich nicht immer einen geeigneten Trainingspartner hatte, weshalb ich nach ca. einem Jahr wieder zum Volumentraining zurückkehrte. Insgesamt sind die Muskeln bei mir aber unabhängig vom Trainingssystem sehr schnell gewachsen. Wenn die Genetik nicht passt, kann man probieren was man will, der Erfolg bleibt aus.

Der Rücken war immer mein Schwachpunkt. Ihm habe ich dann später auch meine volle Aufmerksamkeit geschenkt und sogar ein Foto von Dorians Rücken auf den Kühlschrank geklebt, um das Ziel des Rückenmuskulatur-Aufbaus stets vor Augen zu haben. Mit ein paar Tipps von Profis hat es dann auch geklappt.

Gibt es auch etwas, das du gar nicht mehr machen würdest?

Ja, ich würde für Photoshootings nicht mehr Extragewicht auflegen als bei meinem normalen Training. Das hat dann nämlich auch schon mal mit Rückenschmerzen geendet und ist nicht zu empfehlen. *lacht*

Du bist schon lange dabei und hast von Old- bis New School wahrscheinlich schon alles Mögliche an Trainingsprogrammen und Diäten ausprobiert. Gibt es Dinge, die deiner Meinung nach heutzutage «overhyped» sind, die du nicht verstehen kannst bzw. du anders machen würdest als es die jüngere Generation tut?

Was man mehr sieht, ist, dass irgendwelche Übungen erfunden werden, die man auf Social Media abschaut. Übungen, die ich als Bodybuilder nicht machen würde. Natürlich ist es auch eine andere Zeit und man sieht einfach viel mehr verrückte Dinge im Internet, aber für den Trainingserfolg im Bodybuilding hat sich ansonsten nicht viel geändert. Man muss einfach hart trainieren und sich richtig ernähren. Was mir persönlich nicht gefällt, sind die Jungs, die vergessen, dass eine gute Form an erster Stelle stehen sollte und es beim Bodybuilding nicht darum geht, einfach nur rund und schwer zu sein. Sogar beim Mr. Olympia sind viele nicht so in Form, wie ich das als Athlet erwarten würde. Es fehlt einfach die Härte. Am Ende hat jede Zeit aber ihre guten Athleten, auch wenn es meiner Meinung nach immer weniger sind mit einer guten Form.

Was muss man unbedingt machen, wenn man Profi-Bodybuilder werden will, ausser Wettkämpfen natürlich? Hast du ein Erfolgsgeheimnis?

Man muss abgesichert sein, man benötigt Geld, denn Bodybuilding ist sehr teuer. Man braucht daher einen Job und einen geregelten Tagesablauf. So kann man planen und sich fokussieren, auch auf mehrere Dinge. Es muss alles geregelt sein. Wenn man z.B. ein sehr unregelmässiges Einkommen hat, ist es schwierig zu planen und ein geordnetes Leben zu führen, was den Erfolg im Bodybuilding massiv bremsen kann. Wenn alles läuft und geregelt ist, kann man sich auf sein Ziel konzentrieren. Es ist alles Einstellungs- und Willenssache, wer es nicht schafft, ist zu wenig zielstrebig. Man steht morgens auf und weiss, was man zu tun hat und ist ständig aktiv. Sobald man rumhängt und keine Pläne hat, läuft es nicht. Deshalb muss man sich kleine Ziele setzen und seine Dinge konsequent erledigen, die dafür nötig sind.

Was ist für dich das Allerbeste am Bodybuilding-Sport?

Der Pump! Das Gefühl, wenn die Muskeln nach dem Training richtig prall sind. Das Brennen, bis ans Limit gehen, der Muskelkater. Das finde ich super und konnte ich in anderen Sportarten nie fühlen. Früher hatte ich immer Muskelkater und das fand ich einfach toll. Es klingt zwar total bekloppt, aber der Schmerz des Muskelkaters liess mich einfach wissen, dass ich es richtig mache.

Natürlich wollen wir auch etwas von den negativen Seiten erfahren. Was gefällt dir an dem Sport gar nicht bzw. was stört dich persönlich am meisten?

Das viele Essen. Bis zu 7 oder 8 Mahlzeiten, ca. alle 2 bis 3 Stunden essen, kann ziemlich mühsam sein. Aber als Profi-Bodybuilder gehört das natürlich dazu. Ich musste einfach, obwohl ich es wirklich nicht mochte. Heute esse ich nur noch, auf was ich wirklich Lust habe.

Was waren deine grössten Fehler in deiner Bodybuilding-Laufbahn? Wenn du wieder ganz jung wärst und deine Karriere nochmals starten könntest, was würdest du anders machen?

Zwei Dinge. Erstens: Höre niemals auf jemanden, dem du nicht 100% vertraust; schon gar nicht zwei Wochen vor einem Wettkampf. Vor allem nicht in der Diätphase, wenn man unter Kohlenhydratmangel leidet, denn dann trifft man evtl. schnell schlechte Entscheidungen. Lass dein Konzept von anderen nicht durcheinanderbringen.

Zweitens: Ich hätte an mehr Wettkämpfen teilnehmen sollen. Als junger Athlet sollte man jede Chance nutzen und an so vielen Wettkämpfen wie nur möglich teilnehmen, um weiter zu kommen und Erfahrung zu sammeln.

Werden wir dich nochmals auf der Bühne sehen, hast du noch etwas geplant oder wirst du dich in Zukunft eher anderen Projekten widmen?

Mich wird man nur noch mit einem Mikro oder bei der Verleihung einer Medaille auf der Bühne sehen. Ich kann heute nicht mehr zu den Besten gehören, meine grosse Zeit auf der Bühne ist leider vorbei. Aber das ist absolut okay, alles hat seine Zeit. In Zukunft werde ich mich mehr auf meine Shows, die Dennis Wolf Classic, fokussieren und anderen Athleten zum Erfolg verhelfen sowie mein Wissen weitergeben. Daneben habe ich diverse andere Projekte am Laufen, die ich vorantreiben will. Unter anderem beteilige ich mich am Aufbau eines Labels in Russland. Im Kopf habe ich noch einige andere Dinge, das erzähle ich aber erst dann, wenn ich es auch wirklich mache. *lacht*

Was möchtest du unseren Lesern mit auf den Weg geben?

In erster Linie möchte ich mich bei den vielen Fans und beim Support im Bodybuilding allgemein bedanken. Der Sport erfreut sich zum Glück grosser Beliebtheit.

Des Weiteren möchte ich jedem ans Herz legen, sich Zielen zu setzen, egal wie gross oder wie klein sie sind. Man kann im Leben alles erreichen, aber ohne Plan geht es nicht. Ohne Ziele gibt es keinen Weg und man kommt nirgendswo hin.

Vielen Dank für das spannende Interview und deine Zeit, Dennis. Wir wünschen dir weiterhin viel Erfolg und Gesundheit bei allem, was du tust und hoffen, noch oft von dir zu hören.

Ebenso ein grosses Dankeschön. Es war mir eine Ehre und ich freue mich schon auf die Ausgabe.