Max Lang – im Interview

geführt von Mark Dickenmann

interview max lang

Foto: Daniel Siegel

«Wenn’s schwierig wird, niemals den Kopf hängen lassen!»

Max Lang (geboren 1992) ist deutscher Gewichtheber. In den Jahren 2014, 2016 und 2017 wurde er Deutscher Meister in der Gewichtsklasse bis 77 kg und im Jahre 2019 in der Gewichtsklasse bis 81 kg. Aktuell misst er sich in der Klasse bis 73 kg. – Ursprünglich wollte Max Fussballer werden, doch wegen seiner Körpergrösse (1.66 m) musste er diesen Traum begraben, wie auf seinem Internetportal zu lesen ist. Zum Gewichtheben kam er eigentlich per Zufall.

Mark: Wie bist du zum Kraftsport gekommen, wie hat alles begonnen und wie alt warst du damals?

Max Lang: Ich bin mit 15 Jahren zum Gewichtheben gekommen. Zuvor wollte ich Fussballer werden, so wie Michael Ballack damals in Chemnitz. Deswegen besuchte ich die Sportschule in Chemnitz und wohnte im dazugehörigen Internat. Leider konnte ich diesen Traum nicht erfüllen, sodass ich schlichtweg aus Gründen der Perspektivlosigkeit aussortiert wurde und ich mir, um auf der Sportschule bleiben zu können, eine andere Sportart suchen musste. Durch einen Klassenkameraden bin ich dann schliesslich zum Gewichtheben gekommen. Der Plan war eigentlich, Gewichtheben als «Alibi» auszuüben, um meinen Abschluss zu machen. Ich wollte dann weiterhin Fussball spielen, aber es kam dann anders.

Hast du dir damals schon das Ziel gesetzt, Profisportler zu werden bzw. ab wann war das klar?

Ja! Profisportler haben mir immer sehr imponiert. Berufssportler tun das, was mir am meisten Spass macht, verdienen damit ihr Geld und haben ein hervorragendes Ansehen in der Gesellschaft. Als ich dann zur Sportart «Gewichtheben» gewechselt habe, wollte ich eben Profi in dieser schwerathletischen Disziplin sein, was mir mit Aufnahme in die Sportfördergruppe der Bundeswehr auch gelang.

Was war deine bisher schwierigste Entscheidung – die Entscheidung deines Lebens?

Ich hatte 2019 den Entschluss gefasst, die Gewichtsklasse zu ändern. Ich habe von der Gewichtsklasse bis 81 kg in die bis 73 kg gewechselt. Das war keine schwerwiegende Entscheidung, weil dieser Schritt nötig war, um meine Chancen auf die Qualifizierung für die olympischen Spiele zu erhöhen. Aber gleichzeitig wusste ich auch, dass das Projekt alles andere als einfach wird. Immerhin ging es um eine Körpergewichtsreduktion bei nahezu gleichbleibender Leistung. Ansonsten steht mir die schwierigste Entscheidung vermutlich erst noch bevor.

Wie oft trainierst du und wie sieht eine übliche Trainingswoche bei dir aus?

Ich trainiere 8-mal die Woche. Eine Standard-Trainingswoche besteht aus Langhanteltraining und spezifischem Krafttraining, Physiotherapie und Erholung. Mit Training an der Langhantel meine ich das eigentliche Gewichtheber-Training mit Übungen wie Kniebeugen oder Kreuzheben. Spezifisches Krafttraining ist für mich Training mit Kurzhanteln, Geräten oder dem eigenen Körpergewicht (das typische Studio-Training), wo es vor allem um die Stärkung der kleinen Muskelgruppen und um den Ausgleich muskulärer Disbalancen geht. Eine komplette Einheit nimmt mindestens 2 Stunden in Anspruch, danach folgt noch Physiotherapie. An Tagen, an denen ich zweimal trainiere, ist die Vormittagseinheit mit mindestens 1,5 Std. angesetzt und es wird die Nachmittagseinheit vorbereitet.

Natürlich interessiert uns auch, was du isst. Wie sieht bei dir ein typisches Frühstück aus und welche Mahlzeiten nimmst du sonst noch ein?

Aktuell mache ich mir jeden Morgen mein Porridge, bestehend aus Haferflocken, Skyr, Eiweisspulver und Früchten. Ausserdem achte ich bei meiner Ernährung auf eine gute Eiweiss- und Kohlenhydrat-Quelle sowie Gemüse.

Nimmst du Nahrungsergänzungsprodukte zu dir und wenn ja, welche?

Ich bin relativ dezent aufgestellt, Eiweiss-Pulver und Kreatin sind meine absoluten Basics. Je nachdem, in welcher Diätphase ich mich befinde, supplementiere ich noch Vitamine wie Zink, D3, Q10.

Trainierst du auch im Fitnessstudio bzw. welche Übungen absolvierst du?

Vor Corona habe ich zweimal wöchentlich meinen Kraftplan im Studio absolviert. Auf den Plattformen habe ich meine Kniebeuge gemacht, dazu habe ich noch am Beinstrecker und -beuger performt und dann – nach Lust und Zeit – Schultertraining am Kabelzug und Bauch auf der Freifläche. Ich trainiere gerne im Studio! Da kommt man mal raus aus dem alltäglichen Training in der Heberhalle, sieht andere Menschen, labert ein bisschen und kann danach in der Sauna entspannen.

Wie ist das Trainingsverhältnis von Reissen und Stossen und anderen ergänzenden Übungen?

Reissen und Stossen sind die Hauptdisziplinen, die im Wettkampf absolviert werden. Im Training wird das Reissen aber nur max. 2-mal pro Woche trainiert, eine leichte sowie eine schwere Einheit. Gestossen wird dagegen nur einmal die Woche. So gesehen wird in zwei von acht Workouts gerissen und gestossen. Aber wir haben viele Übungen, die Teil des Bewegungsablaufs der Disziplinen sind. So kann z.B. das Reissen abgewandelt werden in Standreissen, Kraftreissen, Reissen aus dem Hang, Reissen mit einem Zug vorher. Da kommt auf keinen Fall Langeweile auf. Ähnlich verhält es sich mit dem Stossen, wo sowohl Umsatz als auch Ausstoss in mehreren Varianten separat trainiert werden können.

Zu wie vielen Prozent ist beim Gewichtheben die blosse Kraft entscheidend und wie viel die Technik?

Für mich persönlich 50:50. Natürlich können auch ohne Technik Gewichte bewegt werden, aber das sehe ich eher kritisch, vor allem aus gesundheitlichen Gründen. Im Optimalfall stehen Technik und Kraft im Gleichgewicht.

Welches sind deiner Meinung nach die besten Übungen und Techniken, die man fürs erfolgreiche Gewichtheben möglichst oft ausführen sollte?

Kniebeuge und explosive Züge – anhand vom Beispiel Deadlifts, wird hier im Vergleich zu «normalen» Deadlifts, die Übung schnell und explosiv ausgeführt. Während standardmässig beim Deadlift die Last lediglich angehoben werden muss (Maximalkraft), wird bei den explosiven Zügen – über Maximal- und Schnellkraft – die Hantel über die Hüfte hinaus überstreckt. Das sind die absoluten Basics und bilden die Grundlage, auf der alles aufbaut. Danach kommen die technischen Zubringerübungen und zum Schluss Reissen und Stossen. Zubringerübungen sind Übungen, die für das Reissen oder Stossen trainiert werden, um dort stärker zu werden. Die Bewegungsabläufe sind gleich und trainieren bestimmte Aspekte intensiver, z.B. Züge breit. Das ist eine Zubringerübung für das Reissen, mit der das Wegheben und die explosive Überstreckung trainiert werden.

Wie wird man olympischer Gewichtheber bzw. welche Bedingungen müssen erfüllt werden? Was sind dabei die grössten Herausforderungen?

Grundsätzlich sollte man Kraft haben und die Fähigkeit, diese auch schnell steigern zu können. Das ist in jedem Kraftsport so. Dazu kommt noch die Beweglichkeit, vor allem im Fussgelenk, aber auch in der Schulter. Was auch nicht ausser Acht gelassen werden sollte, ist die Belastbarkeit des Körpers. Die grösste Herausforderung ist sicherlich die mentale Komponente: Lust haben, beharrlich sein und sich auch in schwierigen Zeiten stets motivieren können. Das packt nicht jeder.

Was empfiehlst du Neulingen mit Ambitionen zum Gewichtheben, um in diesem Sport erfolgreich zu werden?

Ich empfehle immer, Ausschau nach einem Gewichtheberverein zu halten; dort lässt sich auch ein Trainer finden. Der Rest kommt dann von alleine.

Wo siehst du dich in fünf Jahren?

Meine Profikarriere wird zu diesem Zeitpunkt schon beendet sein und ich sehe mich dann eher hinter den Kulissen als im Spotlight. Bis dahin hat sich hoffentlich auch schon mein «Training Programming» etabliert, das auch Athleten ohne Trainer die Möglichkeit geben soll, Gewichtheben mit Technik zu lernen.

Was würdest du aus der Welt schaffen, wenn du es könntest?

Rote Ampeln (natürlich nur für mich). *lacht*

Was möchtest du unseren Leserinnen und Lesern zum Schluss mit auf den Weg geben?

Bleibt geschmeidig und vor allem gesund!

Max Lang’s Top 5 Tipps:

1. Aufwärmen und Hochfahren der Mobilität

Jede Trainingseinheit mit einem ordentlichen Warm-up beginnen. Bei mir sind das jeweils 10 Minuten auf dem Ergometer. Danach an der Mobilität arbeiten. Meine persönliche Mobilitätsroutine findest du auf Instagram in den Story-Highlights. Durch diese Vorbereitung wird das Herz-Kreislaufsystem und die Beweglichkeit hochgefahren und sich mental auf das Workout eingestellt. Dann noch eine Erwärmung mit der Hantel, bevor anschliessend die Lasten gesteigert werden. Das beugt nicht nur Verletzungen vor, sondern festigt auch das Gefühl.

2. Technik vor Last

Wenn die Technik noch nicht ganz so sitzt, sollten auf keinen Fall die Lasten erzwungen werden, sonst ist die Verletzungsgefahr zu hoch und es sieht ausserdem noch unschön aus. Arbeite an deiner Technik und erhöhe die Lasten progressiv.

3. Mentale Einstellung

Es geht nicht immer leicht und das muss einfach akzeptiert werden. Auf keinen Fall den Kopf hängen lassen, sondern zu regenerativen Massnahmen greifen und die Einheit auf den nächsten Tag verschieben. Das mache ich auch so.

4. Richtige Vorbereitung

Wenn es um Wettkampf geht, ist eine gute Vorbereitung und Trainingsplanung von grosser Bedeutung. Aber nicht nur dann, denn regelmässige Trainingserfolge ohne Plateaus kommen nicht von ungefähr.

In der ersten Phase der Vorbereitung wird dazu das Fundament gelegt; trainiert werden niedrige Lasten mit hohen Wiederholungszahlen. In der Zweiten Phase gerade umgekehrt: Die Lasten werden höher und die Wiederholungszahlen sinken. Zum Schluss wird ausgeprägt, werden doch in dieser Phase Maximallasten und persönliche Rekorde erreicht.Die Vorbereitung mit allen drei Phasen auf eine Europa- oder Weltmeisterschaft, dauert bei mir bis zu 16 Wochen.

5. Beachtung der Superkompensation

Die Erholungsphasen sind genauso wichtig wie das Training selbst. Das Prinzip der Superkompensation kommt hier zum Tragen und vermeidet das Übertraining. Dies gilt nicht nur für das klassische Gewichtheben, sondern für jegliche Kraftsportarten. Während aller der drei oben beschriebenen Phasen, ist es entscheidend, die Superkompensation zu berücksichtigen. Dies bedeutet, dass nach der Erholungsphase der richte Zeitpunkt für die nächste Trainingseinheit erwischt wird. Dieser ist dann, wenn sich die Muskelstrukturen von der letzten Einheit vollständig regeneriert haben und die Kraftkurve auf einem neuen höheren Niveau liegt. Die Zeit die zur vollständigen Regeneration nötig ist, ist vom Leistungsstand des Sportlers sowie weiteren Faktoren, wie z.B. einer proteinreichen Ernährung abhängig. Der Profi kann bereits nach 12 Stunden Ruhepause komplett erholt sein, während es beim Anfänger bis zu 72 Stunden dauern kann.