Powerlifter, Weightlifter und Strength Wars Star – Daniele Pauli

Daniele Pauli beim Kreuzheben im Gym.

Foto: SBD UK

Daniele Pauli, Personaltrainer und Coach aus Zürich, verrät uns einiges über seinen ursprünglichen und gegenwärtigen Beruf, seine Erfolge und Zukunftsabsichten. Besonders anregend sind seine Gedanken zu Zielsetzung und Zielerreichung. Lassen wir uns davon inspirieren.

Interview mit Daniele Pauli – geführt von Mark Dickenmann

Mark: Daniele Pauli, stelle dich doch bitte kurz vor.

Daniele Pauli: Ich bin 43 Jahre alt, komme aus Zürich und bin ausgebildeter Kunstschmied. Heute bin ich Kraftsportler, war ich doch schon immer am Sport – speziell am Kraftsport – interessiert. Ich begann vor 27 Jahren zu trainieren und vor 16 Jahren mit dem Coaching.

Wie bist du auf den Beruf Kunstschmied gekommen?

Das war reiner Zufall. Nachdem ich mich über verschiedene Berufe informiert hatte, wurde ich auf eine Kunstschlosserei in meiner Nähe aufmerksam gemacht. Nach einem kurzen Schnuppern in diesem Lehrbetrieb fand ich den Beruf Kunstschmied sehr interessant. Die manuelle Arbeit mit den verschiedensten Metallen – von Blei, Zink, Stahl bis hin zu Gold – hat mich fasziniert. In diesem Beruf wird körperliche Schwerarbeit geleistet, weshalb mir geraten wurde zu trainieren. Deshalb begann ich als 16-Jähriger mit dem Krafttraining. Anfangs behagte mir dies allerdings nicht, meine Schwester hat mich aber motiviert und irgendwann hat es mich gepackt.

Was waren deine grössten Erfolge?

Ich gewann mehrere offizielle Verbands-Schweizertitel im Kraftdreikampf, international Powerlifting genannt. 2018 wurde ich Weltmeister im IPF Master Classic Powerlifting. Was mich auch mit Stolz erfüllt, ist der dritte Platz am privat durchgeführten Wettkampf der YouTube-Serie «Strength Wars», ist doch das Leistungsniveau sehr hoch. Hier treten nämlich internationale Athleten aus diversen Kraftsportbereichen in einem Parcours mit verschiedenen Übungen gegeneinander an.

Was führte dich zum Powerlifting?

Ich absolvierte schon viele Jahre den 100-Meter-Sprint. Dazu habe ich im Fitnessstudio oft die Explosivkraft trainiert. Das ist die Fähigkeit, eine maximale Kraft in minimaler Zeit zu entwickeln, was für diese Sportart sehr wichtig ist. Ein Schweizermeister im Powerlifting riet mir dann, ich soll es mal im Kraftdreikampf versuchen. Die drei Disziplinen Kniebeugen, Kreuzheben und Bankdrücken liessen mich nicht mehr los. In der Schweiz wurde ich relativ schnell erfolgreich. Damals gab es aber auch noch weniger Athleten als heute. Auch die dannzumal eingeführten Antidoping-Kontrollen spielten mir in die Hände, wurde doch das Feld gesäubert.

Wieviel beträgt dein höchstes Total-Gewicht an einem Wettkampf?

Ich habe in mehreren Verbänden meine Bestleistung gemessen. Als ich anfing, war die International Powerlifting Federation (IPF) in der Schweiz noch nicht so aktiv. An einem Event des World Powerlifting Congress (WPC) kam ich auf total 840 Kilogramm: 320 kg Kniebeuge, 202,5 kg Bankdrücken und 317,5 kg Kreuzheben. Ich war als getesteter Athlet in einem nicht getesteten Umfeld unterwegs und konnte trotzdem eine weltweite Top-Platzierung holen. Beim IPF konnte ich mein bestes Total leider nie abrufen, lag doch mein Rekord in allen drei Disziplinen bei insgesamt 775 kg. Ich habe jedoch vor, beim IPF nochmals anzutreten und hoffe, mein Maximum zu erzielen und die Goldmedaille gewinnen zu können.

Wie lautet dein Erfolgsrezept zur Bewältigung solcher Gewichte?

Erfolgsrezept habe ich keines. Wichtig ist, jene Sportart zu finden, die zur Genetik passt. Natürlich gibt es Leute, die auch ohne die perfekte Genetik, aber mit eiserner Disziplin, sehr weit gekommen sind. Die Genetik spielt aber dennoch eine entscheidende Rolle. Bei mir hat es gepasst. Dann sind Disziplin, Opferbereitschaft und Leidenschaft unerlässlich. Ich habe Tausende von Stunden in den Sport investiert und nichts dabei verdient. Ich will mir selbst beweisen, dass ich es kann.

Noch schöner ist, wenn ich mit meinem Lebenswerk und spannenden Wettkämpfen andere Menschen motivieren und unterhalten kann. Hunderte von Menschen haben mir nach «Strength Wars» geschrieben, sie hätten wegen mir (wieder) mit Krafttraining begonnen. Sie trauten sich zu, wieder schwerere Gewichte zu heben, um sich fit zu halten. Das finde ich wunderbar.

Und wenn die genetischen Voraussetzungen fehlen, soll man es trotzdem probieren?

Warum nicht? Wie gesagt: Mit hartem Training und eiserner Disziplin ist vieles machbar. Ich kenne solche Athleten. Im Leistungssport wird es wahrscheinlich nicht ganz nach oben reichen. Wichtig ist, vernünftig zu bleiben und sich nicht zu verletzen; seine Genetik zu akzeptieren und Spass am Sport zu haben, geht es doch nicht nur um Leistung. Auch sollte man sich nicht durch die sozialen Medien «wahnsinnig» machen lassen. Die Realität sieht doch oft ganz anders aus.

Heute legst du den Fokus mehr auf Weightlifting. Wie kam es zu diesem Wechsel?

2019 habe ich mich das erste Mal in meiner Karriere verletzt: eine schwere Adduktorenverletzung (Adduktor ist der Muskel an der Oberschenkel-Innenseite). Die Rehabilitation dauerte lange und zwei Jahre später hatte ich immer noch Schmerzen. Ich fragte mich, ob ich tatsächlich noch höher als die 840 kg gehen will. Meine Freundin hat bereits Weightlifting – das olympische Gewichtheben – praktiziert, was mich zu einem Wechsel animierte. Ich habe mir bereits Ziele gesetzt, die ich erreichen will. Danach möchte ich zurück zum Powerlifting, doch am liebsten würde ich beides auf hohem Niveau betreiben.

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Was passiert bei dir mental, wenn du maximale Gewichte hebst?

Es muss zwischen Powerlifting und Weightlifting unterschieden werden, bestehen doch mental ganz wesentliche Unterschiede. Während beim Powerlifting eher pure Kraft und Selbstvertrauen – im Sinne von «ich schaffe das» – gefragt sind, sind beim Weightlifting eher Zurückhaltung im Sinne der Selbstüberschätzung und Demut angesagt. Ich muss mein Ego und meine Sturheit ablegen, denn ein schweres Gewicht über dem Kopf zu haben, ist etwas ganz anderes. Es geht vielmehr um Technik. Auch ist die Verletzungsgefahr beim Weightlifting grösser als beim Powerlifting. Dafür sind die Gewichtssteigerungen beim Weightlifting viel kleiner als beim Powerlifting, d.h. bereits bei ein paar wenigen Kilos mehr darf man sich schon freuen.

Welche Tipps hast du, damit wir stärker und kräftiger werden?

Eine Konstante ins Leben einbauen und ein Zeitbudget erstellen: Wie viel Zeit bin ich bereit zu investieren? An wie vielen Abenden kann ich trainieren? Und dann Ziele setzen. Was will ich erreichen? Es macht keinen Sinn, den Bizeps zu trainieren, ausser man ist Bodybuilder. Sinnvoller sind mehrgelenkige Übungen wie Überkopfdrücken, Bankdrücken, Latzug und Kniebeugen. Ich rate zu freien Übungen und nicht zu viel an den Maschinen zu trainieren. Eine Kniebeuge ist viel besser als eine Beinpresse, weil mehr Muskeln und Körperspannung benötigt werden.

Ein Gewicht über den Kopf drücken ist eine sehr effektive Übung, die auch den Rumpf enorm beansprucht. Auch die Hormone werden mit schweren Ganzkörperübungen positiv beeinflusst. Ich empfehle auch, einfach auszuprobieren, Sachbücher zu lesen und verschiedene Trainingssysteme zu testen. Russland hat hervorragende Forschungsarbeit zur Kraftsteigerung geleistet. Aktuell lese ich das Buch «Fundamentals of the Soviet System».

Was empfiehlst du Menschen, die gar keine Ziele haben?

Wer keine Ziele hat, muss sich in der Welt umschauen und sich Ziele setzen. Wer nur in den Tag hineinlebt und keine wirklichen Lebensziele hat, dem schlage ich vor zu reisen, andere Kulturen und Menschen kennenzulernen. Unter Reisen verstehe ich natürlich nicht, in irgendwelche Touristen-Hotspots zu gehen, sondern Orte aufzusuchen, die tatsächlich das jeweilige Land verkörpern, mit den Einheimischen in Kontakt zu treten und zu fühlen, wie diese tatsächlich leben. Das bringt einen auf neue Ideen und kann vielleicht sogar zu möglichen Zielen verhelfen.

Lesen, sich informieren oder einfach etwas Verrücktes machen, z.B. Bungee-Jumping oder Fallschirmspringen, kann helfen, neue Aktivitäten und Leidenschaften zu entdecken. Selbst habe ich immer zu viele Ziele – da muss ich mich natürlich fokussieren. Ziele fordern dich heraus und bringen dich an andere Orte, an denen du wachsen kannst.

Wie werden Ziele gesetzt?

Ich glaube, das Wichtigste ist Freude und Begeisterung. Ohne Spass und Leidenschaft ist es schwierig, sich Ziele zu setzen. Dann muss das Ziel an eine Motivation gekoppelt sein. Was bringt mir das Ziel? Wie fühle ich mich, wenn ich das Ziel erreicht habe? Man muss also eine Motivation finden und danach stetig daran arbeiten, bis das Ziel erreicht ist. Sodann ein neues Ziel setzen mit einer immer etwas höheren Messlatte. Gesund bleiben ist z.B. so ein Ziel, sozusagen ein Lebensziel. Mit diesem Ziel kann man sich jeden Tag beschäftigen.

Was passiert, wenn keine Ziele vorhanden sind?

In der modernen Welt ist vor allem die Bequemlichkeit ein Zielhemmer. Uns fehlt nichts, uns geht es gut, wir befinden uns in der Komfortzone. Der Schauspieler Will Smith hat einmal gesagt: «On The Other Side Of Fear is Joy.» Zu Deutsch: «Auf der anderen Seite der Angst ist Freude.» Ich denke, das stimmt. Angst spielt sehr oft mit, z.B. die Angst, etwas nicht zu schaffen. Ich glaube auch, ohne Risiko und Überwindung ist auch nichts zu erreichen. Ziele helfen einem, die Komfortzone zu verlassen. Meiner Meinung nach sind Depressionen auch eine Folge von Ziellosigkeit.
Welche Ziele hast du für das Jahr 2022?

Ich will im Weightlifting besser werden, mich an einer Elite-Europameisterschaft mit den Jungen messen. Beruflich möchte ich mein Online-Coaching weiterentwickeln und ausbauen. Auch Sprachen möchte ich lernen.

Was möchtest du den Leserinnen und Lesern noch mit auf den Weg geben?

Ein Punkt ist mir sehr wichtig: Mit den Sozialen Medien gezielt und massvoll umgehen, sich nicht ablenken lassen. Die eigene Leistung in den Vordergrund stellen und sich nicht mit anderen vergleichen, sondern sich auf die eigene Sache konzentrieren. Internetwissen kritisch konsumieren und vorsichtig verarbeiten.

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