Wie der Vater, so der Sohn – Schwingsport

Stefan und Thomas Burkhalter, Schwingsportler aus Leidenschaft, stehen sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber.

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Stefan und Thomas Burkhalter, Meister des Schwingsports

Stefan Burkhalter und sein Sohn Thomas sind Schwinger aus Leidenschaft. Stefan, von Beruf Landwirt und heute unter anderem als Agrar-Manager tätig, ist mit 47 Jahren der älteste noch aktive Kranzschwinger. Sein Palmarès lässt sich sehen: 108 Kränze und 4 Kranzfestsiege. Thomas, 2003 geboren und Landwirt in Ausbildung, hat ebenfalls «Sägemehl im Blut». In seiner noch jungen Karriere hat er bereits über 60 Zweige und 50 Wettkämpfe gewonnen. Wie sein Vater ist auch Thomas Mitglied des Schwingclubs am Ottenberg im Kanton Thurgau. Natürlich möchte er einmal Schwingerkönig werden. Das sei das erklärte Ziel eines jeden Schwingsportlers, doch der Weg bis dorthin ist noch weit und steinig. Ein anderer grosser Traum von Thomas ist es, einmal den elterlichen Bauernhof zu übernehmen und die Familientradition fortzuführen. Schliesslich habe nicht jeder eine solche Chance. Mittlerweile liesse es sich vom Schwingsport leben, sofern sich Erfolg einstelle, z.B. als Schwingerkönig. Aber jeder Schwinger gehe einer Arbeit nach. Ein Pensum von mindestens 70% erfülle jeder. Das sei gut so, denn Schwingen sei kein Beruf, sondern soll Hobby bleiben. Da sind sich die Burkhalters einig. Stefan kam mit 14 Jahren relativ spät zum Schwingsport – dank eines Kollegen. Natürlich hatte er den Traum, ein bekannter Schwinger zu werden. «Je besser man ist, desto bekannter wird man, das ist wohl überall so», sinniert Stefan. Angesprochen auf den Tag, wo ihn sein Sohn beim Schwingen bezwingen würde, wäre dies der Lauf der Zeit, führt der Turner-Schwinger aus. Diese Zeit käme immer schneller auf ihn zu. Stolz darüber wäre er wohl kaum, aber freuen würde er sich schon, gesteht er. Und hat Thomas schon einmal seinen Vater im Sägemehl besiegt? «Leider nein, es wäre sicher ein Ziel. Aber ich denke, bis ich soweit bin, ist mein Vater nicht mehr aktiv im Schwingsport tätig», antwortet Thomas mit etwas Wehmut. Beim Schwingsport entscheiden Kraft und Körpergewicht sowie die richtige Technik über Sieg oder Niederlage. Deshalb spielt das Training eine entscheidende Rolle. Das Wintertraining vom Dezember bis ca. Februar ist dem Aufbau gewidmet. Jede Woche 11 Einheiten, d.h. an gewissen Tagen stehen zwei Trainings an, nämlich morgens und abends. Die Trainingszeit beträgt 1½ bis 2 Std., inkl. Aufwärmen und Dehnen. Detailliert sieht das Winter- bzw. das Aufbautraining für den zweifachen Familienvater Stefan wie folgt aus:
2 Einheiten Schwingen à 1,5 Std (Technik) 4 Einheiten Kraft à 1,5 Std (schwere Gewichte) 1 Einheit Crossfit 1 Std. 3 Einheiten Ausdauer à 1 Std. 1 Einheit Schwimmen à 1 Std. mind. 2 Massagen pro Woche
Vier bis sechs Wochen vor dem eigentlichen Wettkampf beginnt das Wettkampftraining, bestehend aus total 12 Einheiten die Woche:
3 Einheiten Schwingen à 1,5 Std (Wettkampftraining) 4 Einheiten Kraft à 1,5 Std (leichte Gewichte, Schnellkraft) 1 Einheit Functional Workout 1 Std. 3 Einheiten Ausdauer à 1 Std. 1 Einheit Schwimmen à 1 Std. mind. 2 Massagen pro Woche 
Während der Wettkampfsaison, die von Anfang April bis Ende September dauert, stehen total 7 Einheiten bevor:
2 Einheiten Schwingen 2 Einheiten Kraft 1 Einheit Functional Workout 1 Einheit Schwimmen 1 Massage vermehrt Ruhepausen
Thomas gibt zu verstehen, er trainiere wöchentlich meistens zwischen vier und fünf Mal, d.h. dreimal Schwingtraining und eins- bis zweimal Kraft- und Ausdauerübungen. Schwing- und Krafttraining seien gleichermassen wichtig. «Die Kunst besteht darin, eine gute Technik sowie Masse und Kraft auf Körper und Genetik zu individualisieren», betont Stefan Burkhalter. Und sein Sohn sagt dazu: «Ich denke, die Technik wird immer wichtiger, da die heutigen Spitzenschwinger sehr athletisch sind. Masse und Kraft haben natürlich auch ihre Vorteile.» Das Krafttraining findet immer im Fitnesscenter statt. Auch Thomas trainiert zweimal im Fitnessstudio, während das Schwingtraining im Schwingclub am Ottenberg in Weinfelden vonstattengeht. Das funktionelle Training hingegen findet privat statt, präzisiert Stefan. Der Rumpf, also der Bauch und der untere Rücken sowie das Trainieren der Beine sind das Wichtigste, um Kraft aufzubauen. Diese Übungen haben Priorität und werden deshalb auch am häufigsten absolviert. Das Rumpftraining ist gut für die Körperspannung, Kreuzheben und Kniebeugen für die Kraft, rundet Thomas ab. Wichtig sei auch die passende Ernährung. So stehen üblicherweise viel Fleisch, Kohlenhydrate, Gemüse und Früchte, ergänzt mit Protein-Shakes, auf dem Speiseplan, erklären beide. Am Abend vor dem Wettkampf werde auf eine hohe Kohlenhydratzufuhr geachtet. Diese decke den Speicher bis zum Mittag des Wettkampftages. Morgens, d.h. zwei Stunden vor dem Wettkampf, werden erneut Kohlenhydrate eingenommen. Damit reiche die Reserve bis zum Wettkampfende aus. Auch Thomas deckt sich vor dem Wettkampf ausreichend mit speicherfüllenden Kohlenhydraten ein. Wie stark muss auf das Körpergewicht in Verbindung mit den Wettkämpfen geachtet werden? Stefan meint, das sei sehr individuell und von Athlet zu Athlet verschieden. Es gäbe Schwinger, die seien eher rund, aber könnten diese Masse perfekt umsetzen. Ein Schwinger, der vorne mitmischen wolle, müsse 110 kg und mehr wiegen. Gewichtsklassen wie beispielsweise beim Boxen gäbe es allerdings keine. Thomas beziffert das Idealgewicht eines Schwingers mit etwa 90 bis 120 kg; je schwerer, desto besser. Stefan beispielsweise wiegt 118 kg mit einer Körpergrösse von 186 cm und Thomas liegt mit seinen 103 kg und 184 cm ebenfalls im Bereich des Optimums. Natürlich brauche es noch andere Fähigkeiten, um erfolgreich zu schwingen: Einen starken Willen, eine eiserne Disziplin und einen gesunden Ehrgeiz, pflichten beide einhellig zu. Stefan bringt es auf den Punkt: «No Pain – No Gain», zu Deutsch: «Kein Schmerz, kein Gewinn.» Und wo sehen sich Stefan und Thomas in fünf Jahren? «Ich stehe am Rande des Sägemehlrings und schaue hoffentlich meinem Sohn und anderen Schwingern beim Wettkampf zu», sagt Stefan lachend. Sein Sohn Thomas möchte weitere Kränze gewinnen und nächstes Jahr am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest (ESAF) in Pratteln teilnehmen. Aus der Welt schaffen würde Stefan – der sich nebenberuflich als Schauspieler, Chauffeur und Personenschützer betätigt – die Krankheit Krebs. Seine Eltern sind nämlich an dieser heimtückischen Krankheit gestorben. Verständlich, dass der blutjunge Thomas auf die Frage, was er denn aus der Welt schaffen würde, wenn er es könnte, ganz unbeschwert entgegnet: «Nichts, man macht aus allem das Beste.» Und was gibt Stefan uns mit auf den Weg? «Geniesst jeden einzelnen Tag, auch wenn er nicht euren Vorstellungen entspricht oder ein hartes Workout bevorsteht. – Respektiert eure Nächsten, eure Mitmenschen; jeder Mensch hat seine guten Seiten. – Hört auf euren Körper, manchmal nützt eine Erholung mehr als ein erzwungenes Training.»