Geschichte der Fitness II – Der moderne Fitnesstrend

Muskulöser Mann im Fitnessstudio
Foto: Anton Dotsenko

England, 12. Jahrhundert: Ein Mönch schreibt einen reumütigen Brief an den Papst, in dem er um Vergebung bittet. Beim Fussball-Spiel ist er mit einem Mitbruder zusammengestossen, woraufhin der starb. Solche Berichte über Ballspiele sind aus dem Mittelalter mehrfach erhalten. Im Mittelalter wurden sportliche Aktivitäten gemeinhin als Spiele verstanden. Um der Fitness willen betrieb man sie jedoch nicht.

 

Zu den Spielen zählten vor allem Ballspiele, die in England und Italien ab dem 12. Jahrhundert sehr beliebt waren, sowie Turniere, an denen aber nur Adelige und Hochgeborene teilnahmen. In der Frühen Neuzeit änderte sich das Verständnis von körperlichen Übungen. Statt brutale Kraft zu demonstrieren, ging es mehr um die Demonstration von Können und Eleganz an den Fürstenhöfen.

 

Die Frühe Neuzeit orientierte sich an der Antike, wodurch der Humanismus entstand. Hatte im Mittelalter noch die Auffassung vorgeherrscht, der Körper sei das Gehäuse der Sünden und des Grauens, so änderte sich diese Vorstellung mit dem Humanismus grundlegend. Die Humanisten beschrieben die Perfektion und Funktionalität des menschlichen Körpers, seine Würde und Erhabenheit. Daher kam es, wenn man so will, zu einem Höhepunkt der Körperkultur in der Frühen Neuzeit. Selbst bekannte Vordenker der Aufklärung wie John Locke, englischer Arzt und Philosoph, beschrieben die Wichtigkeit von Gesundheit, Leibeserziehung und Erholung.

 

Fitness um der Fitness willen wurde jedoch auch in dieser Zeit noch nicht betrieben. Der moderne Fitnesstrend entwickelte sich tatsächlich erst im 19. und 20. Jahrhundert. Der moderne Fitnesstrend umfasst ein paar wichtige Stationen und Entwicklungen, über die du im Folgenden mehr erfahren wirst.

Der moderne Fitnesstrend: Ursprung

Der moderne Fitnesstrend fusst auf zwei wesentlichen Entwicklungen. Zum einen kam die Schwedische Heilsgymnastik aus Skandinavien nach Europa und breitete sich dort rasch aus. Der zweite Ursprung lag in der Turnbewegung, die vor allem aus Deutschland stammte. Beides war wohl eine Art Gegenbewegung zur Urbanisierung in dieser Zeit.

Schwedische Heilsgymnastik

Pehr Henrik Ling begründete um 1800 die Schwedische Heilgymnastik. Das Ziel dabei war vor allem Prävention, das heisst, den Körper so zu gymnastizieren, dass es gar nicht erst zu Beschwerden kommen konnte. Bereits 1813 gründete Ling das erste staatlich anerkannte Zentralinstitut für Gymnastik. Dort wurden fortan Gymnastiklehrer ausgebildet, die an Schulen, in der Armee und im medizinischen Bereich arbeiteten.

 

Die Schwedische Heilsgymnastik bestand vor allem aus Widerstandsübungen. Basierend auf diesen Prinzipien entwickelte der schwedische Arzt Gustaf J. W. Zander (1835 – 1920) Krafttrainingsgeräte, die über variabel einstellbare Widerstände verfügten. Ab 1877 wurden sie industriell gefertigt und weltweit vertrieben.

 

Die Kombination von Lings Heilgymnastik und Zanders Trainingsgeräten machte nun das gezielte Trainieren von einzelnen Muskelgruppen möglich. Zander gründete zahlreiche Sportinstitute, in denen an seinen Geräten trainiert werden konnte. In diesen sogenannten «Zander-Instituten» trainierten Anfang des 20. Jahrhunderts bereits mehr als 100‘000 Menschen.

 

Vor dem Ersten Weltkrieg entstanden besonders viele solcher Trainingsstätten. In diesen Stätten gab es auch Trainings- und Massageräume, Schwimmbäder und Saunen. Die Trainingszeiten waren damals schon flexibel, was die Trainingsstätten vor allem den Turnvereinen voraus hatten.

Die Turnbewegung und der moderne Fitnesstrend

Zwei Pädagogen prägten die Turnbewegung in Deutschland besonders: Friedrich Ludwig Jahn, genannt «Turnvater Jahn» und Johann C.F. GutsMuth. Sie etablierten die körperliche Fitness vom Fürstenhof bis in die Schulen des deutschen Kaiserreichs. Allerdings lag der Fokus hier nicht auf dem spezifischen Muskeltraining.

 

Die Hochburgen der Turnbewegung waren vor allem Deutschland und Schweden, doch auch in Russland und den baltischen Ländern strebten Kraftsportzentren ab den 1850er Jahren auf. In St. Petersburg trainierte der «Trainer-Guru» Dr. Wadislaw von Krajewski (1855 – 1907) mit der sportlichen Elite der Zeit. Andere Zentren des Kraftsports entstanden vor allem in den europäischen Metropolen, London, Paris und Wien. Die Zander-Geräte breiteten sich überall aus, auch in Deutschland und der Schweiz.

Eugen Sandow: Urvater des Bodybuildings

Friedrich Wilhelm Müller (1867 – 1925) alias «Eugen Sandow» kann als Urvater des Bodybuildings angesehen werden. Weltweite Berühmtheit erlangte er, als er Charles A. Sampson im Kräftemessen besiegte. Samson hatte sich seinerzeit selbst zum stärksten Mann der Welt erklärt, wurde jedoch von Sandow besiegt.

 

Sandow veranstaltete fortan Shows, die er «Muscle Display» nannte, und in denen er sich in Muskelposen und mit Kraftkunststücken präsentierte. Seine Shows markieren den Beginn des Bodybuildings. Die ersten Olympischen Spiele seit der Antike fanden 1896 statt und markierten die Wiedergeburt des Körperkults der Antike, über den du in Teil 1unserer Fitnessgeschichte mehr erfahren kannst. Niemand repräsentierte dieses Körperideal besser als der junge Sandow.

 

Sandow tourte mit Bühnenshows durch Europa, die USA und Australien. So machte er Fitness zum Event und Bodybuilding populär. Er verkaufte sogar Postkartenserien mit der Abbildung seines Körpers. Auch posierte er gerne lediglich mit einem Feigenblatt bedeckt, ganz nach dem Vorbild antiker griechischer Statuen. Der moderne Fitnesstrend war geboren.

 

Doch er trainierte und tourte nicht nur, er interessierte sich auf für sportwissenschaftliche Hintergründe, gezieltes Muskeltraining und Anatomie. Später war er sogar der «Personal Trainer» des englischen Königs George V. 1919 veröffentlichte er sein eigenes Lehrbuch: «Life is movement». Sein Werk hatte zahlreiche bekannte Förderer, das Vorwort wurde sogar von Sir Arthur Conan Doyle, dem Schöpfer von Sherlock Holmes persönlich verfasst.

 

Nach seinem Vorbild und der Lehre aus seinem Werk gründeten sich eigene Sandow-Schulen. Seine Krafttrainingsmethoden wurden in diesen Schulen gelehrt, praktiziert und dadurch auch verbreitet. Er brachte eigene Trainingskonzepte, Fernkurse, Bücher und eine Zeitschrift heraus. Seine Popularität war damals in etwa mit der Arnold Schwarzeneggers zu seinen Hochzeiten vergleichbar. Sandow ebnete durch sein Gespür für Marketing und Entertainment den Weg für das Bodybuilding. Er starb 1925. Durch die Wirren der beiden Weltkriege kam die Bodybuildingbewegung in Europa ein wenig zum Erliegen. In den USA erlebte sie dafür einen umso grösseren Hype.

Der moderne Fitnesstrend in Kalifornien

Kalifornien kann als die Wiege des modernen Körperkults in Amerika betrachtet werden. In den 30er Jahren gewann der moderne Fitnesstrend in den USA an Bedeutung. 1936 gründete Jack LaLanne, Begründer der US-amerikanischen Fitnessbewegung, das erste moderne Fitnessstudio in Oakland (Kalifornien). Ende der 30er Jahre nahm die Physical-Culture-Bewegung Fahrt auf und der erste Mr. America-Contest fand statt.

 

Der moderne Fitnesstrend wurde auch massgeblich vom Muscle Beach beeinflusst, dem weltbekannten Outdoor-Fitnessstudio in Kalifornien. Ursprünglich lag er in Santa Monica, wurde dann aber nach Venice (L.A.) verlegt. Dort erlangten gestählte Muskeln einen echten Kultstatus. Die Kraftsportler, Bodybuilder, Turner und Akrobaten, die dort trainierten, machten den Kraftsport vom Sport zum Event.

 

In den 1950er Jahren löste Steve Reeves, der auch zum Mr. Universum gekürt worden war, einen weltweiten Bodybuilding-Boom aus, nachdem er als Hulk aufgetreten war. 1965 gründete Joe Gold das legendäre «Gold’s Gym», das spätestens durch die Dokumentation «Pumping Iron» mit Arnold Schwarzenegger 1977 weltweit Bekanntheit erlangte. Golds Fitnesskette «World Gym» expandierte ab 1976 in die ganze Welt und die Zeit der kommerziellen Fitnessstudios begann.

Die erste weibliche Bodybuilderin: Pudgy Stockton

Abbey «Pudgy» Stockton (1917 – 2006) kann als die erste weibliche Bodybuilderin der Geschichte bezeichnet werden. Auch wenn andere Frauen schon zuvor und zu ihrer Zeit den Kraftsport betrieben, war sie es, die Bodybuilding für Frauen populär machte. Mit ihrem Mann zeigte sie am Santa Monica Pier eine Show aus Akrobatik, Gymnastik und Kraftelementen. Ende der 1940er Jahre zierte sie zahlreiche Magazincover und schrieb ab 1944 sogar eine eigene Fitnesskolumne in der Zeitschrift «Strength &Health», in der sie Frauen Trainingstipps gab.

 

1948 wurde sie zur «Miss Physical Culture Venus» gekürt. Ihr Leben lang setzte sie sich für weiblichen Kraftsport ein. Dadurch machte sie das Bodybuilding als Sport auch für weibliche Athleten populär.

Der moderne Fitnesstrend in Deutschland

Waren die Zander-Studios vor den Weltkriegen in Deutschland schon sehr beliebt, so wurde der Kraftsport zur Zeit des Nationalsozialismus pervertiert. Die Fitness-Bewegung war als vereinsfreier Sport im deutschsprachigen Raum wahrgenommen worden, worauf zahlreiche Kraft- und Kunststätten, Licht- und Luftbäder entstanden. Systeme für Heimturnen waren Anfang des 20. Jahrhunderts weit verbreitet, auch die ersten Fitnessgeräte fanden breite Anwendung. Die Nazis wollten diesen Gedanken jedoch dazu nutzen, ein pervertiertes Bild des idealen «arischen» Körpers zu erschaffen, dem die deutschen Bürger nacheifern sollten.

 

Diese Ansichten waren nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch verpönt. Deutsche Auswanderer hatten die Idee vom gemeinschaftlichen Sport- und Turnverein in die USA gebracht. Doch nachdem der Nationalsozialismus die Idee des «idealen» Körpers pervertiert hatte, musste der moderne Fitnesstrend erst von den USA zurück nach Deutschland gebracht werden. Das geschah grossflächig erst in den 1960er Jahren. Die wichtigsten Ikonen waren dabei Arnold Schwarzenegger und Jane Fonda.

 

Das erste deutsche Fitnessstudio wurde 1955 von Harry Gelbfarb in Schweinfurt eröffnet. Die erste Mr. Germany-Wahl fand 1960 im Münchner Bürgerbräukeller statt. Dieser Abend machte die Kraftsportszene in Deutschland schlagartig populär, obwohl die mediale Berichterstattung eher kritisch war. Bis 1963 gab es gerade einmal 40 kommerzielle Fitnessstudios, in denen meist Bodybuilder und Kraftsportbegeisterte trainierten.

 

Die abfällig «Muckibude» genannten Studios machten jedoch eine grosse Karriere, an der auch Arnold Schwarzenegger einen grossen Anteil hatte. Aus dem Kraftsport wurde der mitgliederstärkste und vielleicht beliebteste Sport der Deutschen mit 11,09 Millionen Mitgliedern (Stand 2019). Und die Tatsache, dass der moderne Fitnesstrend immer noch so erfolgreich ist, wurde bisher noch nicht gemindert.

 

 Autor: Nina Schäfer

 

Quellen:

Fitnessbranche in Deuhttps://de.statista.com/themen/233/fitness/#:~:text=Im%20Jahr%202019%20waren%20mehr%20als%2011%2C6%20Millionen,Fitnessstudios%20trainieren%2061%20Prozent%20der%20Besucher%20mehrmals%20w%C3%B6chentlich.tschland | Statista

Kulturgeschichte des Sports: Vom antiken Olympia bis zur Gegenwart on JSTOR

Der Fitnessbranche Größen der ersteArnd Krüger, Bernd Wedemeyer (Hrsg.): Kraftkörper – Körperkraft: Zum Verständnis von Körperkultur und Fitness gestern und heute. Begleitheft zur Ausstellung in der Eingangshalle der neuen Universitätsbibliothek; 3.7. – 31.7.1995. Göttingen: SUB 1995, ISBN 3-930457-06-7.n Stunden (fitnessmanagement.de)

DSSV Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen: Geschichte des Fitnesstrainings

Behringer, W. Kulturgeschichte des Sports: vom antiken Olympia bis zur Gegenwart. München: C. H. Beck Verlag, 2012.

Krüger, Arnd und Bernd Wedemeyer (Hrsg.). Kraftkörper – Körperkraft: Zum Verständnis von Körperkultur und Fitness gestern und heute. Begleitheft zur Ausstellung in der Eingangshalle der neuen Universitätsbibliothek. Göttingen 1995.