Der ultimative figur guide 2022 (Teil 2)

Titelfoto zum Artikel "Die 10 grössten Fehler beim Muskelaufbau".

Foto: Volodymyr Melnyk

In Teil 1 hat sich Gesundheits- und Ernährungsexperte Uwe Köhlinger mit einer erfolgreichen Diät zum Fettabbau bei gleichzeitig bestmöglichem Muskelerhalt beschäftigt. In diesem Part geht es um die Königsdisziplin in der Fitness und im Bodybuilding: nämlich um den Aufbau von qualitativer Muskelmasse.

Ziele setzen für den Erfolg

Ohne ein Ziel vor Augen, ist nichts zu erreichen, auch kein Muskelaufbau! Wie schon im ersten Teil beschrieben, brauchen wir wieder unsere Kalorienapp (Yazio, Myfitnesspal usw.). Nur so können wir wirklich feststellen, ob aus ernährungstechnischer Sicht für den Muskelaufbau alles optimiert ist.
Die Grundvoraussetzungen für den Muskelaufbau in der Ernährung sind:

1. Kalorienüberschuss

Dieser sollte 300 –500 kcal über deinem Tagesbedarf liegen.
Einen Online-Rechner zur Ermittlung deines Tagesbedarfes findest du z.B. unter
Kalorienrechner.

 

Ziel der Kalorienzufuhr sollte eine wöchentliche Gewichtszunahme von 300 – 500 g sein. Dabei sollte es sich hauptsächlich um Muskelmasse handeln. Passiert dies nicht, müssen die Kalorien in Schritten von 250 kcal überwiegend mit Kohlenhydraten erhöht werden, bis das Tempo der Zunahme passt. Sei vorsichtig, dass du nicht zu schnell zunimmst und rechne deine Kalorien und/oder beobachte das Bauch- bzw. Hüftfett genau. Beim Muskelaufbau nimmst du zwangsläufig auch etwas an Fett zu, jedoch sollte sich das in Grenzen halten und es sollten mehr Muskeln als Fett aufgebaut werden.

 

Den ersten Teil, die Körperfettreduktion, haben wir ja schon hinter uns. Stellst du also fest, dass sich die Fettpölsterchen unproportional schnell zu deinen Muskeln bilden, ist der Kalorienüberschuss zu hoch und es gilt, diesen zu reduzieren. Nutze zur Kontrolle vor allem den Spiegel und/oder eine Fettmesszange.

2. Eiweissaufnahme

Hier gilt als Grundregel: 2 g pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Die genaue Menge ist von unterschiedlichen Faktoren wie Geschlecht, Genetik, Alter und Trainingsintensität abhängig. Optimal wäre, wenn du in deiner Ernährung 3 – 4 verschiedene Eiweissquellen tierischen wie pflanzlichen Ursprungs hast, wie z.B. Milchprodukte und Hülsenfrüchte. Mit diesen Kombinationen erhöhst du die sogenannte «biologische Wertigkeit» der Eiweissquellen. Damit kannst du effektiver deine Muskeln aufbauen, da viele verschiedene Aminosäuren besser in körpereigenes Eiweiss umgewandelt werden können.

3. Kohlenhydrataufnahme

Je nach deiner körperlichen Aktivität kannst du 4 – 6 g Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpergewicht und Tag als Richtwert veranschlagen. Auch dies ist von den oben genannten Faktoren abhängig.

 

Die vieldiskutierten Kohlenhydrate sind dein bester Freund auf dem Weg zu mehr Muskelmasse, da
a) sie die Energie für ein intensives Training und einen guten Pump liefern;
b) sie nach dem Training dafür sorgen, das durch das Training ausgeschüttete Stresshormon Cortisol schnell wieder nach unten zu drücken und so eine katabole (abbauende) Stoffwechsellage abfedern;
c) deine Schilddrüsen Kohlenhydrate lieben.

 

Die Schilddrüsenhormone sind der endscheidende Faktor, wie dein Essen verwertet wird. Der Körper misst ständig, wie voll deine Kohlenhydratspeicher sind und regelt danach die Aktivität der Schilddrüse: Volle Kohlenhydratspeicher in den Muskeln (Glykogenspeicher) bedeuten einen hohen Schilddrüsen-Hormonausstoss und damit einen Turbostoffwechsel. Darum sind seit Jahrzehnten der altbekannte Reis, Pute und Brokkoli die «Bühnenmacher» der Wettkampfathleten und Fitnessmodels. Vor und während des Trainings empfiehlt sich das Aufladen von flüssigen Kohlenhydraten in Form von z.B. Apfelschorle oder mit Wasser verdünnter Schokomilch.

Profitipp

Setze direkt nach dem Training auf sogenannte «schnelle» Kohlenhydrate: Ein Proteinshake in Form eines «Weightgainers» beigemischt oder separat als kleine Mahlzeit wie Laugensemmel, Schokomilch, Cornflakes oder sehr reifes Obst, um einen erhöhten Insulinspiegel zu erzeugen. Insulin ist eines der stärksten anabolen (aufbauenden) Hormone und schliesst effektiv die Muskelzellen auf, damit die dringend benötigten Nährstoffe wie Aminosäuren, Creatin usw. schneller und effektiver aufgenommen werden können.

4. Fette für schnelleren Muskelaufbau und bessere Regeneration

Eine ausreichende Fettaufnahme ist gerade in der Muskelaufbauphase besonders wichtig. 1 g Fett pro Kilogramm Körpergewicht und Tag ist hier die Grundregel. Niedrige Fettaufnahme senkt mittelfristig euren Testosteronspiegel und die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K können ihren Job betreffs Regeneration und Hormonaufbau nicht erledigen.

Allgemeine Empfehlungen für den Muskelaufbau

  • Um die erforderliche Kalorienmenge zu erreichen, setzt auf 4 – 6 Mahlzeiten am Tag, die alle möglichst Eiweiss enthalten.
  • Eine ausreichende Flüssigkeitsmenge von 3 – 4 Liter Wasser fördert den Stoffwechsel und die Regeneration.
  • Setzt auf gesunde, kalorienreiche Lebensmittel wie fettreiche Milchprodukte, Nüsse, Bananen, Haferflocken usw., um eure Kalorien zu erreichen.

Solltet ihr keine guten Esser sein und auf Weight Gainer aus dem Fitnessshop zurückgreifen, dann achtet darauf, dass der Anteil von Billigzucker nicht zu hoch ist. Das sorgt für unnötige Fettspeicherung am Bauch. Bastelt euch dann lieber einen eigenen Weight Gainer mit Wheyprotein, Haferflocken, Nüssen oder Erdnussbutter.

Hilfreiche Basis-Supplements beim Muskelaufbau

Ein Bedarf an Nahrungsergänzungen leitet sich logischerweise von deinem Ernährungsprotokoll ab. Daher einige Basisempfehlungen:

  • Wheyprotein rund ums Training
  • Mehrkomponentenprotein als Ersatzmahlzeit
  • Kurweise Anwendung von Kreatinmonohydrat (3 – 5 g täglich) für 6 Wochen
  • Multivitamin-Mineral Kombiprodukt als Grundabdeckung der Mikronährstoffe

Diese Produkte können beim Muskelaufbau unterstützen, sind aber – sofern die richtige Ernährung eingehalten wird – nicht essenziell oder gar entscheidend für den Erfolg beim Muskelaufbau. Ausschlaggebend ist am Ende des Tages, ob du die erforderlichen Mengen Eiweiss, Kohlenhydrate, Fett und Vitamine in Form gesunder und hochwertiger Lebensmittel zu dir genommen hast.

Das Training für den Muskelaufbau

Grundsätzlich braucht der naturale Sportler zwei intensive Reize pro Woche auf den Zielmuskel. Da im Aufbau mehr Kalorien zur Verfügung stehen, können auch höhere Trainingsvolumen bewältigt werden als in einer Diätphase. Allerdings ist allgemein in Studios zu beobachten, dass teilweise ein Workout von bis zu zwei Stunden mit mässiger Intensität an der Tagesordnung ist.

Intensität ist der Schlüssel für den Muskelaufbau

  • Vermeidet Ablenkung durch Social Media oder unzuverlässige Trainingspartner;
  • führt ein Trainingslogbuch und konzentriert euch auf Trainingsgewichtssteigerung bei sauberer Ausführung;
  • setzt sparsam Intensitätstechniken ein, wie z.B. ein kontrolliertes Abfälschen am Ende des letzten Trainingssatzes.

Der Mythos von den 8 – 12 Wiederholungen (WDH)

In nahezu jedem Fitnessmagazin, Blog oder YouTube-Video werden für Muskelaufbau die berühmten 8 – 12 Wiederholungen, meist für 3 – 4 Sätze, aufgerufen. Das ist aber nur die halbe Wahrheit.

Grundlagen des Krafttrainings

Wir können durch Krafttraining, vereinfacht gesagt, folgende drei Haupteffekte erreichen:

1. Maximalkrafttraining

  • 1 – 6 WDH
  • bessere Ansteuerung der Muskelfasern durch das Nervensystem

2. Hypertrophie-Training

  • Muskelquerschnittsvergrösserung
  • 8 – 20 WDH

3. Kraftausdauertraining

  • Kapillarisierungstraining
  • 20 – 100 WDH
  • Neubildung kleiner Blutgefässe für besseren Pump und Sauerstoffaufnahme, schnellere Regeneration und Nährstofftransport

Alle diese Anpassungserscheinungen des Muskels helfen uns letztendlich bei der Entwicklung maximaler Muskelmasse.

Deshalb verfolgen wir im nachfolgenden Beispiel eines 2er-Splitt-Trainingsplanes diese Erkenntnis und nutzen das gesamte Wiederholungszahlen-Spektrum für einen ganzheitlichen Ansatz.

 

Beispielplan Muskelaufbau:

2er-Splitt für 3- bis 4-mal Training pro Woche, dazwischen immer 1 – 2 Tage Pause.

Tag 1

Brust – Schulter – Trizeps – Bauch

10 Min. Warm-up Cardiogerät

Brust

  • Bankdrücken Multipresse 4 Sätze 4 – 6 WDH Satzpause 3-4 Min.
  • Schrägbankkurzhanteldrücken 3 Sätze 10 – 12 WDH Satzpause 90 Sek.
  • Butterfly oder Seilzüge über Kreuz 2 Sätze 20 WDH Satzpause 45 Sek.

Schulter

  • Schulterpresse Maschine 3 Sätze 4 – 6 WDH Satzpause 3 – 4 Min.
  • Seitheben Kurzhantel oder am Kabel 3 Sätze 10 – 12 WDH Satzpause 90 Sek.
  • Reverse Butterfly Maschine oder KH Heben sitzend vorgebeugt 2 Sätze 10 – 12 WDH Satzpause 90 Sek.

Trizeps

  • Trizepsdrücken am Seil 2 Sätze 8 – 10 WDH Satzpause 90 Sek.
  • Trizepsdrücken hinter dem Kopf Seil oder KH 2 Sätze 12 – 15 WDH Satzpause 90 Sek.

Bauch

Crunchmaschine 1×20 WDH, 1×12 WDH, 1×6 WDH Satzpause 30 Sek.

Cooldown

10 Min. Cardiogerät/Stretch

Tag 2

Rücken – Bizeps – Beine
10 Min. Warm-up Cardiogerät

Rücken

  • Kreuzheben oder Rudern am Gerät ein/beidarmig 4 Sätze 4 – 6 WDH Satzpause 3 – 4 Min.
  • Latzug vor die Brust 3 Sätze 10 – 12 WDH Satzpause 90 Sek.
  • Breites Rudern am Kabel (Ellbogen oben, Zug zum Solarplexus) 2 Sätze 20 WDH Satzpause 90 Sek.

Bizeps

  • Scottcurls auf der Bank 2 Sätze 8 – 10 WDH Satzpause 90 Sek.
  • Hammercurls Kurzhantel stehend 2 Sätze 12 – 15 WDH Satzpause 90 Sek.

Beine

Wer schwache Beine ausgleichen möchte, kann das Beintraining an den Anfang des Trainingstages stellen oder einen separaten «Bein-Tag» einlegen.

  • Beinpresse 3 Sätze 4 – 6 WDH Satzpause 3 – 4 Min.
  • Kniebeugen 3 Sätze 10 – 12 WDH Satzpause 3 – 4 Min.
  • Beinbeuger 2 Sätze 15 WDH Satzpause 90 Sek.
  • Wadenheben sitzend und stehend (falls vorhanden) je 2 Sätze 20 WDH Satzpausen 90 Sek.

Cooldown

10 Min. Cardiogerät oder Stretch

Reminder für eine erfolgreiche Aufbauphase

  • Sei dir bewusst: Weniger ist mehr!
  • Achtet auf saubere Ausführung und wenn ihr öfter als 4-mal wöchentlich trainiert, legt Wert auf perfekte Ernährung, Regeneration und habt aufkommende Schmerzen in den Gelenken im Blick!
  • Schiebt lieber mal einen Tag Pause mehr ein, wenn der Körper danach ruft!
  • Denkt immer daran: Der Muskel wächst in der Pause, nicht im Studio!
  • 8 – 12 Wochen solltet ihr euch mindestens für einen soliden Aufbau reservieren!

Auf dass die «Gainz» mit euch sind!

 

 Autor: Uwe Köhlinger