Vom K1-Champ zum Profi Boxer

Rico Giger in einem Boxkampf

Foto: Sports Photography

Der aus dem Kanton Thurgau in der Schweiz stammende Rico Giger ist «K1-Kämpfer» und Profiboxer. K1 ist Kickboxen, deren Kampfstil dem Muay Thai ähnelt, jedoch ohne Clinchen und Ellbogen-Einsatz. Kniestösse gegen den Gegner sind hingegen ausdrücklich erlaubt.

 

Zu Ricos Markenzeichen zählt das Schwyzerörgeli. Bei jedem Ringeinlauf spielt er es, begleitet von seinem Vater. Schon viermal durfte er den Weltmeistertitel im K1 feiern. Wenn er selbst nicht gerade am Kämpfen ist, trainiert «Ramba» – so sein Kampfname – Kinder und Erwachse in dieser Sportart.

 

In diesem Beitrag verrät uns Rico Giger viel Interessantes über die Entstehung sowie die Geschichte des Boxens und wie er zu diesem Sport kam.

Wie kam Rico zum Boxen?

Zum Boxkampf kam Rico eher zufällig. Der schon seit mehreren Jahren als K1-Profi arbeitende Giger wurde einmal gefragt, ob er sich nicht auch im Faustkampf versuchen wolle.

 

Denn er war oft im Boxtraining anzutreffen, weil im K1-Wettkampf auch das Boxen sehr wichtig ist. So wurde er schliesslich Profiboxer. Seine Knock-out-Bilanz lässt sich sehen: An 37 Kämpfen 24 Siege durch K.o.-Schlag – eine beachtliche Knock-out-Power!

 

Nach seinem bisher grössten Erfolg gefragt, kommt die Antwort prompt: «Die Geburt meiner Tochter Leyla und der K1-Weltmeistertitel am gleichen Tag, nämlich am 26. September 2020». Rico begleitete und unterstütze seine Frau Albena während der 30-stündigen qualvollen Geburtsphase. Nach der geglückten Niederkunft des Mädchens stieg er – zwar mit Augenringen gezeichnet, aber von Glück erfüllt – direkt in den Kampf. Die Fernsehsendung «Glanz & Gloria» machte einen Beitrag zu diesem bisher schönsten Erlebnis seines Lebens.

Boxen – ein zu unrecht verschmähter Sport

«Das Boxen erfunden haben die Engländer. Der erste schriftlich belegte Boxkampf fand 1681 statt. Ab dem Jahre 1838 war Boxen systematischen Regeln unterworfen. Fortan waren Tiefschläge und Kopfstösse verboten», weiss Rico zu erzählen. Fälschlicherweise wird diese Kampfsportart nur allzu oft diskreditiert. Doch was reizt ihn an diesem Sport?

 

Dieses männliche Kräftemessen fordert einen jeden Tag neu heraus. Höchstleistung ist unerlässlich. Es lehrt einen, sich zu verteidigen, aber den Gegner zu respektieren. Was es vor allem braucht, um stets ans Limit zu gelangen, sind Ehrgeiz und Kämpferherz. Rico Giger lehrt seine Teilnehmenden auch, einander zu helfen. «Im Kampf sind wir Gegner, nach dem Kampf aber Freunde», so seine Devise. Rico pflegt nach dem Fight mit jedem Konkurrenten eine höchst freundschaftliche Beziehung. Was zeichnet einen erfolgreichen Boxer aus?

 

Das Wichtigste ist Disziplin, denn ohne Disziplin geht gar nichts. Des Weiteren ist Durchhaltewille notwendig. Aber auch Begeisterung und Freude an der Arbeit sind unerlässlich. Alles, was mit Herzblut und Spass gemacht wird, wird automatisch viel besser gemacht. Ausdauer ist eine weitere Eigenschaft, die viele Vorteile in sich birgt. Bspw. beim Pratzentraining, wo Schlagkraft und Schnelligkeit der Schläge bzw. Tritte entscheidend sind. Oder im Sparring, d.h. beim Kämpfen mit geänderten Re­geln und Vereinbarungen, die Verlet­zungen weitgehend verhindern sollen. Schliesslich bei den Partnerübungen, wo Tempo und Intensität angepasst werden. Eine zentrale Komponente spielt auch der Trainer. Bei ihm muss man sich wohlfühlen.

 

Auf ihn hören und ihm vertrauen ist wesentlich. Vorausgesetzt, er achtet darauf, nicht ins Übertraining zu gera­ten und beugt Verletzungen vor. Das primäre Ziel eines Trainers muss sein, einen an die Spitze zu bringen, sowohl technisch, konditionell und psychisch. Ein wegweisender Grundsatz lautet: «Psyche vor Kondition und Training». Das Gefühlsleben spielt nämlich eine ganz wichtige Rolle: Über 90% des Erfolges entscheidet die Psyche, erst nachher kommen Kondition und Tech­nik. Rico bspw. konnte bei guter psychi­scher Verfassung «Berge versetzen». Wenn er emotional nicht optimal dispo­niert war, dann musste er Niederlagen einstecken.

 

Sich als Schweizer den Zugang zum Boxsport zu verschaffen, ist mit Hürden verbunden. Es muss eine Lizenz bean­tragt werden. Unter anderem sind für die Lizenz mehrere Gesundheitstest er­forderlich. Nur wer eine gültige Lizenz besitzt, ist berechtigt, an Box-Kämpfen auch selbst teilzunehmen. Beim K1 hin­gegen ist es einfacher, da wird keine Li­zenz benötigt, um Profi zu werden.

 

Grundsätzlich kann jeder und jede eine Boxer-Karriere anstreben. Wer erfolg­reich sein will, muss sich allerdings bewusst sein, dass man sich bis zur Erschöpfung anstrengen und auf vie­les verzichten muss. Man darf den Box­sport nicht bloss trainieren, sondern muss ihn im wahrsten Sinne des Wor­tes leben. Und wie sieht eine Trainings­routine aus?

 

Die hängt immer davon ab, ob und in welcher Woche ein Kampf ansteht. Ein Beispiel findet ihr in der Tabelle. Wie viel ein Boxer verdient, kann nicht ge­nerell gesagt werden. Das ist erfah­rungsgemäss sehr unterschiedlich und abhängig der Sponsoren. Rico ist in der glücklichen Lage, vom Boxsport leben zu können.

Ricos Schlusswort

Leider werden Kampfsportbetreibende allzu oft in eine Schublade gesteckt. Äusserungen wie «Boxer sind arrogant und brutal» sind keine Seltenheit. Dabei trifft das Gegenteil zu: Dieses Genre ist sehr hilfsbereit und kann niemandem etwas zuleide tun. Freundlichkeit und Loyalität sind wichtige Eigenschaften dieser Sportler, «denn nur gemeinsam sind wir stark», so ihre Überzeugung.