Titelfoto zum Artikel "Die 10 grössten Fehler beim Muskelaufbau".
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Rückenschmerzen sind eines der weitverbreitetsten körperlichen Leiden des 21. Jahrhunderts. Acht von zehn Menschen hatten in ihrem Leben schon einmal über einen längeren Zeitraum Rückenschmerzen, wobei Sportler genauso betroffen sein können wie Personen, die ihre Freizeit mehrheitlich auf dem Sofa verbringen. Bei Sporttreibenden sind Rückenleiden allerdings deutlich geringer. Entscheidend ist jedoch, wie wir den Schmerzen den Garaus machen können.

Folgende Ursachen können zu Rückenschmerzen führen:

  • Muskel- und Bänderverletzungen an der Lendenwirbelsäule
  • Verschleiss der Bandscheiben und Wirbelgelenke
  • Bandscheibenvorfall mit einer Irritation der Nervenwurzel
  • Spinalkanalstenose (Verengung des zentralen Wirbelkanals, meist verursacht durch Verschleiss)
  • Anatomische Besonderheiten der Wirbelsäule, z.B. Skoliose (Verkrümmung) oder Spondylolisthese (Instabilität)
  • Systemische Erkrankung (z.B. Krebs, Wirbelsäuleninfektionen, Morbus Bechterew, d.h. chronisch entzündliche, rheumatische Erkrankung)
  • Erkrankungen der inneren Organe (Niere, Magen-Darm-Bereich usw.)

In 98% der Fälle können die Schmerzen keiner eindeutigen anatomischen Struktur zugeschrieben werden. Wir sprechen dann von unspezifischen Rückenschmerzen. Unabhängig davon, ob die Schmerzen spezifisch oder unspezifisch sind, ist es essenziell, eine ausführliche Belastungs- und Belastbarkeitsanalyse durchzuführen und dadurch die tieferliegenden Ursachen der Beschwerden zu erkennen und diese gezielt anzugehen. Im folgenden Beispiel zeigen wir auf, wie Rückenschmerzen entstehen, wie wir die Schwachstellen ausfindig machen und konkret etwas dagegen unternehmen.

Vom Sportkrüppel zum Wasalauf-Teilnehmer

Lars ist Zahnarzt und 61 Jahre alt. Sport ist ein wichtiger Teil seines Lebens und seine Vielseitigkeit zeichnet ihn aus. 100 Liegestütze, 10 Klimmzüge oder 100 kg Bankdrücken wirken angesichts seines fortgeschrittenen Alters ebenso imposant wie seine Marathonzeiten von unter 3 Stunden. Aber auch seine Teilnahme am Wasalauf – ein traditionsreicher Skimarathon über 90 km von Sälen nach Mora in der schwedischen Landschaft – Respekt.

Doch 2018 macht ihm sein Rücken einen Strich durch die Rechnung. Nach immer wiederkehrenden Problemen führen ein Gleitwirbel und ein Bandscheibenvorfall zu Schmerzen, Kraftverlust und Gefühlsstörungen. Die medikamentöse Behandlung und die begleitende Physiotherapie schlagen zwar an und die heftigen Schmerzen verschwinden, doch die volle Funktionalität bleibt aus. Lars leidet nach der Therapie noch immer an Steifigkeit, sporadischen Schmerzen und Bewegungsangst. Das Ziel ist klar: Sport soll wieder zum Genuss werden und vor allem der geliebte Langlaufsport soll nochmals auf gutem Niveau betrieben werden können. Zu diesem Zeitpunkt ist aber das Licht am Ende des Tunnels noch nicht in Sicht.

Rückenschmerzen und wie sie entstehen

Jede Verletzung kann durch ein Missverhältnis zwischen Belastung und Belastbarkeit beschrieben werden. Belastung bedeutet so viel wie Beanspruchung des Körpers durch äussere Einflüsse wie Kräfte, Kälte, Wärme, Strahlung usw. Unter Belastbarkeit werden sowohl physische als auch psychische Quellen verstanden, die es ermöglichen, diese Belastungen auszuhalten. Deswegen ist es sehr wichtig, diese zwei Komponenten gegenüberzustellen.

Oft entstehen Schmerzen durch jahre- oder gar jahrzehntelange Über- oder Fehlbelastung. Bei jedem Training oder Wettkampf entstehen kleinste Verletzungen, sogenannte Mikrotraumata. Hervorgerufen werden sie, im Falle von Lars, durch permanente Belastung durch Sport und Beruf (als Zahnarzt steht er die meiste Zeit über), einer teilweisen eingeschränkten Beweglichkeit sowie muskulären Schwachstellen.

Schwachstellen erkennen

Es ist wichtig, seine Schwachstellen zu kennen und diese gezielt zu beheben. Eine schwache Gesässmuskulatur kann zum Beispiel zu Knie- oder Rückenschmerzen führen.
Eine unbewegliche Brustwirbelsäule erhöht die Belastung auf die Schulter, den Nacken und auch den unteren Rücken. Mit einfachen Tests kann man erkennen, wo die eigenen Schwachstellen liegen. Führe nachstehende Übungen aus und achte auf die genannten Punkte.

Ausfallschritte

  • Wie steht der Fuss, kippt er nach innen – dann könnte ein schwaches Fussgewölbe der Auslöser sein.
  • Wie steht das Becken? Kommt es zu einer seitlichen Verschiebung oder einer Innenrotation, dann deutet dies auf eine inaktive seitliche Gesässmuskulatur hin.
  • Kommt es zu einem Nach-vorne-Kippen des Beckens in eine Hohlkreuzposition? Dann mag ein zu wenig mobiler Hüftbeuger oder eine abgeschwächte Hüftstreckermuskulatur der Grund dafür sein.

Vorgebeugtes Seitheben

Vorgebeugtes Seitenheben
  • Kommt es zu einer Ausweichbewegung in der Lendenwirbelsäule? Dann könnte diese eine fehlende Streckung der Brustwirbelsäule ausgleichen oder auf eine zu schwache Rumpfmuskulatur (Antiextension = v.a. Bauchmuskulatur) hindeuten.
  • Können die Arme nicht über 180° geöffnet werden? Dann ist vielleicht die obere Rückenmuskulatur zu schwach oder die Schulter-Armbeweglichkeit zu gering.

Armstütz mit Arm- und Beinheben

Armstütze
Kommt es zu einer Ausweichbewegung des Rückens in Richtung Hohlkreuz – dann sind vermutlich die Bauchmuskeln zu wenig aktiviert.

  • Kommt es zu einer Ausweichbewegung in Richtung Drehbewegung oder Seitneigung, dann sollte das antirotatorische Rumpfsystem angeschaut werden.

Und so gibt es eine Reihe verschiedener Tests, die auch Lars durchlaufen hat. Das Ergebnis war:

  • Eingeschränkte aktive und passive Hüftstreckung
  • Fehlende seitliche Becken- und Rumpfstabilität
  • Eingeschränkte Beweglichkeit der Brustwirbelsäule

Bei Lars geht es vor allem darum, eine optimale Rumpfstabilität über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten und eine optimale Kraftübertragung zu gewährleisten. Er hat zwei Jahre lang ein auf sich abgestimmtes Trainingsprogramm/Reha durchlaufen.
Resultat: Im März 2022 – mit 61 Jahren – absolviert er erneut den Wasalauf über 90 km. Er ist dabei nicht nur «fast» schmerzfrei, sondern präsentiert sich in absoluter Bestform. Neben dieser Leistung hat er sich auch in diversen anderen Übungen an die Spitze gekämpft. 100 Liegestütze, 20 Klimmzüge, 165 kg Kreuzheben, 55 kg Bulgarian-Split-Squats für 8 Wiederholungen und vieles mehr.

 

Welche Funktionen brauche ich für meinen Sport?

Bevor du deinen eigenen «Gameplan» schmieden kannst, musst du dir über die Anforderungen deines Sports bzw. deines Alltags im Klaren sein. Wenn du dich mit der menschlichen Anatomie bereits auskennst bzw. du schon viel Sport-Erfahrung mitbringst, weisst du vielleicht schon, worauf es ankommt. Besser ist es aber, Experten hinzuzuziehen, die dich beraten und unterstützen, wieder schmerzfrei zu werden.

 

Erstellen deines Trainingsplans

1. Schmerzfreiheit zurückerlangen

Nur ein schmerzfreier Rücken ist in der Lage, die gewünschte Stabilität aufzubringen. So ist das erste Ziel, schmerzfrei zu werden. Dazu sollten anfangs vor allem Übungen eingesetzt werden, die möglichst wenig Belastung für den Rücken darstellen.

Dazu zählen:

  • Mobilisationsübungen:
    • Im Liegen: Ein Bein länger machen als das andere und umgekehrt
    • Beckenkippen in verschiedenen Positionen
    • Oberkörperrotationen im Sitzen
  • Liegendes Hüftheben
  • Unterarmstütz vorwärts
  • Unterarmstütz seitlich
  • Liegestützvariationen
  • Diverse Zugübungen für den oberen Rücken

2. Schwachstellen korrigieren

Anhand der durchgeführten Tests weisst du bereits, welche Muskelgruppen nicht optimal entwickelt sind. Diese sollten in einem Hypertrophieblock, also einem Muskelaufbautraining, besondere Beachtung bekommen.

Wir empfehlen:

  • 3–5 Sätze zu je 8–12 Wiederholungen
  • Tempo langsam – kontrolliert
  • Isolationsübungen für die Schwachstellen
  • Ganzkörperübungen wie Squats, Deadlifts oder unilaterale Übungen können auch eingesetzt werden, allerdings sehr vorsichtig und immer mit dem Ziel, optimale Bewegungskontrolle; nicht mit dem Ziel, Muskel- oder Kraftaufbau

3. Muskeln und Kraft aufbauen

Wenn die Schwachstellen behoben sind und die Grundübungen, also die mehrgelenkigen Ganzkörperübungen, wieder gut funktionieren, kann ein Belastungsaufbau erfolgen. Von langsamem Hypertrophietraining – über schnellere Wiederholungen – bis zum Kraftaufbau.

 

4. Sportartspezifisch trainieren

Sobald du wieder schwere Kniebeuge und Kreuzheben machen kannst, ist es notwendig, so spezifisch wie möglich das zu trainieren, was du in deiner Sportart wirklich brauchst.

 

Wir hoffen, dieser Artikel unterstützt dich dabei, die Rückenschmerzen unter Kontrolle zu bekommen. Manchmal hilft es schon, einfach längere Regenerationsphasen in seinen Alltag und das Training einzubauen und seinem Körper etwas weniger abzuverlangen. Mit der richtigen Kombination aus gezieltem Training, Regeneration, einem allgemein gesunden Lebensstil, dazu gehört selbstverständlich auch die Ernährung, heisst es hoffentlich schon bald: «Hasta la Vista Rückenschmerzen!»

 

 

Armstütze
Nejc Hojc – THE PAIN DOC

Expert Personal Trainer & CEO

info@nejchojc-personaltrainer.ch