Foto: Dr. Daniel Schwarzenberger & Daniel Schoon
Der Status quo: Kostenexplosion
Das Gesundheitssystem im DACH-Raum steht unter Druck. Während Milliarden in die Reparatur von Krankheiten gepumpt werden, fehlen nachhaltige Strukturen, die Anpassung, Belastbarkeit und Prävention gleichermassen fördern.
Allein in Deutschland fliessen jährlich fast 500 Milliarden Euro in das Krank- bzw. Gesundheitssystem, in der Schweiz weitere 88 Milliarden Franken.
Doch während sich die Ausgaben für Medikamente und Therapien stetig erhöhen, stagniert der Anteil für Prävention bei unter 3 Prozent in der Schweiz, in Deutschland liegt dieser bei immerhin ca. 7 Prozent.
Das Gesundheitssystem trainiert seine Symptome, aber nicht seine Resilienz. Ein erheblicher Teil der Präventionsausgaben fliesst in Verwaltung, Aufklärung und kurzzeitige Kampagnen, während verhaltenswirksame Massnahmen, insbesondere Bewegungs- und Fitnesstraining, nur einen geringen Anteil ausmachen und auch oft selbst gezahlt werden dürfen. So bleibt ein großer Hebel, die Förderung körperlicher Aktivität und systematischer Trainingsprogramme im Verhältnis weiterhin strukturell stark unterfinanziert.
Warum Bodybuilding zum Modell für eine belastbare Gesellschaft werden kann. Oder was Weider und Schwarzenegger einst vormachten
Bodybuilding ist das Sinnbild individueller Veränderung. Es zeigt deutlich, wie Disziplin, gezieltes Training und Struktur unseren Körper wachsen und formen lassen.
Allgemein sind die Grundprinzipien, welche Systemen ihr Fundament geben, nicht neu.
Joe Weider hat sie im Bodybuilding längst formuliert, nur wurden sie nie auf grössere Strukturen übertragen. Seine Trainingslogik folgte einfachen, aber präzisen Regeln: Reiz, Anpassung, Wiederholung. Kein Wachstum ohne Belastung & Anpassung, keine Stabilität ohne Erholung, kein Fortschritt ohne Kontrolle.
Was für Muskeln gilt, gilt auch für Organisationen & Strukturen. Ein System, das sich entwickeln will, braucht planbare Reize, sehr klare Ziele und überprüfbare Ergebnisse. Weiders progressive Überlastung steht sinnbildlich für eine Politik, die sich schrittweise, aber stetig verbessert, statt im Krisenmodus zu reagieren und eskalieren. Das Prioritätsprinzip, nach dem Schwachstellen zuerst trainiert werden, könnte als strategische Grundlage dienen, um Ressourcen im Gesundheitswesen dorthin zu lenken, wo sie den grössten Effekt sowie Erfolg erzielen.
Arnold Schwarzenegger verkörperte diese Denkweise konsequent. Er verstand Training als planbaren Prozess, nicht als spontane Leistung. Disziplin, Wiederholung und Feedback waren seine Werkzeuge, um individuelle Anpassung messbar zu machen. Genau das fehlt dem Gesundheitssystem: die Fähigkeit, aus Belastung gezielten Fortschritt zu generieren.
Bodybuilding war immer mehr als reine Optik. Es war angewandte Systemtheorie im physischen Raum. Es zeigte, dass Steuerung, Struktur und Wiederholung Wachstum ermöglichen können biologisch wie organisatorisch. Wenn das Gesundheitssystem nach denselben Prinzipien geführt würde, die Weider in der Trainingshalle und Schwarzenegger auf der Bühne verkörperten, entstünde eine Form von Systemfitness, die Belastung nicht fürchtet, sondern nutzt.
Was wir als Gesellschaft daraus lernen können
Weider und Schwarzenegger zeigten, dass Training nur funktioniert, wenn es geführt wird. Entwicklung entsteht nicht durch Zufall, sondern durch Steuerung. Wer trainiert, lenkt ein System, das auf Reize reagiert, Anpassung erzeugt und Feedback liefert.
Der Unterschied zwischen Bewegung und Training liegt in der Absicht. Reize werden geplant, Belastungen dosiert und Ergebnisse überprüft. Das gilt im Studio genauso wie im Gesundheitssystem.
Wir, sowohl als Trainierende, als auch als Gesellschaft, können daraus lernen, Prozesse zu gestalten, statt nur Ergebnisse zu erwarten. Struktur ersetzt Motivation und Wiederholung schafft Kontrolle. Erfolg ist kein Produkt der Intensität, sondern der Konstanz und der Bereitschaft, aus jeder Rückmeldung zu lernen.
Training wird so zum Modell für Führung im eigenen Körper wie in komplexen Strukturen. Wer seine Belastung versteht und steuert, entwickelt nicht nur Muskelkraft, sondern auch Systemkompetenz.
Im Bodybuilding gilt grundsätzlich das Trainingsprinzip:
Wirksamer Reiz –> Anpassung = Leistungssteigerung – Wachstum – Fortschritt.
Ein System, das funktioniert, arbeitet nach demselben Muster. Ohne Reiz keine Entwicklung, ohne Erholung keine Stabilität, nur die Gefahr von Überreizung.
Diese Logik prägt jede erfolgreiche Trainingsplanung und könnte ebenso die Grundlage einer smarten, holistischen sowie intelligenten Gesundheitsstrategie sein.
Man kann es auf eine einfache Formel bringen
Ohne Reiz kein Fortschritt. Ohne Erholung keine Stabilität. Ohne Feedback keine Steuerung. Diese drei Prinzipien gelten überall ob im Studio, im Unterricht, in der Politik und in der Wirtschaft.
Bodybuilding zeigt, dass Entwicklung kein Zufall ist. Sie entsteht, wenn man Prozesse versteht, steuert und wiederholt. Nicht die Intensität entscheidet, sondern die Beständigkeit und die Bereitschaft, aus jeder Rückmeldung zu lernen.
Wachstum bedeutet Verantwortung. Wer sich seiner Belastung bewusst ist, kann sie lenken und produktiv machen. Das gilt für Muskeln genauso wie für Organisationen. Stärke entsteht nicht durch das Vermeiden von Belastung, sondern durch die Fähigkeit, sie in Anpassung zu verwandeln.
Unser Ansatz: Muskeltraining als Systemfaktor
Inzwischen erleben wir die nächste Entwicklungsstufe: Muskeltraining als eine ganzheitliche kollektive Kompetenz. Die Fitnessbewegung hat sich professionalisiert, digitalisiert und geöffnet. Functional Training, Longevity, Recovery, Health Tracking und Biohacking sind alles Elemente einer neuen Systemintelligenz.
Sie zeigen, dass Training nicht Selbstzweck ist, sondern ein Modell, wie Adaptation, Belastbarkeit und Vorsorge harmonisch ineinandergreifen.
Muskelgewebe ist aktiv, lernfähig und hochregulativ. Es produziert Myokine, die Entzündungen senken, den Stoffwechsel stabilisieren und neuronale Prozesse positiv beeinflussen. Körperliche Kraft ist damit kein rein ästhetisches, sondern überaus funktionelles Thema. Also eine grundlegende physiologische Ressource mit direktem Einfluss auf Gesundheitskosten, Pflegebedarf und Leistungsfähigkeit. Jede Trainingseinheit wirkt über den Körper hinaus.
Fazit: Sie stärkt das Individuum und entlastet gleichzeitig so das System.
Wir fördern und fordern: «Fitness» als Teil der Gesundheitsversorgung
Fitness- und Gesundheitsanbieter können längst mehr als Motivation und Muskelaufbau.
Sie sind Orte der Prävention, Frühindikatoren für Gesundheitsrisiken und Schnittstellen zwischen Medizin, Bewegung und digitaler Analyse.
Richtig eingebunden, können sie das System heute schon messbar entlasten.
Gesundheitsförderung muss nicht neu erfunden werden. sie muss lediglich «trainiert» werden: planbar, wiederholbar, überprüfbar.
Unser Fazit: Die Trainingsprinzipien aus dem Bodybuilding können ein Steuerungsmodell für das überforderte Gesundheitssystem sein.
Was in der Trainingswissenschaft längst selbstverständlich ist, fehlt in der Gesundheitspolitik. Ein System, das wachsen will, muss trainieren. Nicht zufällig, sondern gezielt. Nicht erst im Krisenmodus, sondern präventiv. Training ist die einfachste Form von Systemintelligenz und die Basis des Fundaments echter Gesundheitsentwicklung.
Unser Call for Authors: Wir planen ein Herausgeberwerk «Gesundheit unter Druck» in Zusammenarbeit mit dem Springer Verlag. Wir bringen führende Köpfe aus Praxis, Forschung und Politik zusammen, um den Wandel unseres Versorgungssystems strukturell, kulturell und innovativ zu beleuchten und neue Lösungswege zu diskutieren.
Für nähere Informationen: Dr. Daniel Schwarzenberger & Daniel Schoon
Zu den Autoren:
Dr. Daniel Schwarzenberger ist Sportökonom, Dozent und Berater mit Schwerpunkt Prävention und Gesundheitssystementwicklung.
Daniel Schoon ist Fitness- und Gesundheitsexperte, Studioleiter und Podcasthost.
Beide arbeiten an Projekten, die Training, Prävention und Systeminnovation miteinander verbinden.
Quellen:
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https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/04/PD23_136_236.html
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https://kof.ethz.ch/en/news-and-events/media/press-releases/2023/11/healthcare-expenditure.html
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https://ind.obsan.admin.ch/en/indicator/monam/expenditure-on-prevention-and-health-promotion-by-service
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https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Preventive_health_care_expenditure_statistics
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https://www.bodymedia.de/themen/management/gesundheit-im-wandel-nur-noch-ein-grosses-management/











