THOMAS SCHEU – ÜBER TRAINING, ERFOLGE UND ANTI-AGING
Interview mit Thomas Scheu
geführt von Mark Dickenmann
MyWorkout: Wie kamst du zum Bodybuilding?
Thomas Scheu: Damals, so mit 11 oder 12 Jahren, war ich übergewichtig. Ich war im Judo Club und habe gerne Kung-Fu Filme geschaut. Später besuchte ich auch eine Karateschule in der Stadt. Ich fing an, mit Gewichten zu trainieren. In der Karateschule durfte ich den Trainingsraum der Gewichtheber benutzen.
Ziel war es, für den Kampfsport stärker zu werden. Ich wollte Bruce Lee nacheifern – mit Sixpack und allem, was dazugehört. Da habe ich relativ schnell Muskeln aufgebaut. Damals wie heute arbeite ich hauptberuflich als Schlosser.
Was waren deine grössten Erfolge?
Deutscher Meister bei den Junioren, danach bei den Senioren. Oft waren es meine Präsentationen, die den Sieg ausmachten. So habe ich immer tolle Lieder ausgewählt und die Leute waren begeistert, was sie zu sehen bekamen. Dann kam der Durchbruch: 1984 wurde ich Gesamtsieger an der deutschen Meisterschaft und 1996 erstmals Weltmeister. Davor war ich Vizeweltmeister. An der Weltmeisterschaft 2001 belegte ich erneut den 1. Platz und wurde Gesamtsieger. Insgesamt war ich 6-mal Weltmeister!
Ab wann war es dein Ziel, Weltmeister zu werden?
Es war nie mein Ziel, Weltmeister zu werden und ich rechnete auch nie damit. Erst als ich Deutscher Meister wurde, gab mir das Auftrieb und ich wollte noch besser werden. Der Weltmeistertitel war aber dannzumal noch nicht greifbar.
Gewiss habe ich immer ausgezeichnete Songs gewählt und erstklassige Shows geliefert – ich bin in Polen, der Karibik und in vielen weiteren Ländern aufgetreten. Aber diesen einen Zeitpunkt, an dem ich gesagt habe, ich will Weltmeister werden, den gab es nicht.
Du hättest am Mr. Olympia-Wettkampf – der Königsliga im Bodybuilding – teilnehmen können. Warum hast du die Teilnahme abgelehnt?
Weil die Medikamenteneinnahme, so unter uns gesagt, brutal ist. Sowohl körperlich als auch finanziell ist dieser Wettkampf eine grosse Belastung. Und das Preisgeld war damals noch nicht so attraktiv wie heute.
Im Jahr 2022 wurdest du im Alter von 60 Jahren in Spanien Vize-Weltmeister im Bodybuilding. Warst du der älteste Teilnehmer und wie hast du das geschafft?
Es sind mehrere Faktoren verantwortlich. Dass man mit 60 noch hart trainieren kann, ist ein Geschenk. Viele sind bereits mit 45 sportinvalid. Ich machte mir schon früh Gedanken darüber. Mit 21 Jahren 290 kg Kniebeuge, das war meine Höchstleistung. Jetzt mache ich nur noch Beinpresse.
Am Wettkampf in Spanien war ich tatsächlich einer der Jüngsten, denn der Älteste war 86 Jahre alt. Mein Vorteil ist, dass ich immer noch ohne Gelenkschmerzen trainieren kann. Ich habe mal mit 500 kg sechs Wiederholungen an der Beinpresse gemacht. Danach hatte ich Hüftschmerzen und mich gefragt, ob das sein muss? Jetzt mache ich nur noch 300 kg, dafür mehr Sätze, z.B. 10. Doch heute sind 500 kg auch nicht mehr viel, trainierte doch Ronnie Coleman mit einer Tonne an der Beinpresse!
Mit 60 Jahren so auszusehen wie du, entspricht nicht dem Standard. In einem Interview hast du einmal gesagt, du hättest seit 40 Jahren nie mit Trainieren aufgehört. Was motiviert dich, immer noch zu trainieren?
Trainieren für gutes Aussehen ist mir wichtig und macht mich zufrieden. Heute geht es mir nicht mehr um die Weiterentwicklung, sondern um den Erhalt meines Körpers. Abends esse ich nicht mehr viele Kohlenhydrate, damit ich nicht zunehme. Ich konnte mein Gewicht seit 25 Jahren bei 100 kg halten. Selbstverständlich esse ich auch mal eine Pizza oder ein Nutella-Brötchen, aber alles nach Mass. Beim Wettkampf brauche ich einen geringen Körperfettanteil, damit ich gute Platzierungen erreiche. Da ist es hilfreich, auch in der Off-Season nicht über die Stränge zu schlagen, um sich nicht zu weit vom Wettkampfgewicht zu entfernen. Sonst dehnt sich die Haut aus und muss sich danach wieder zurückbilden. Damit wird sie runzelig und ein ständiges Zu- und Abnehmen ist allgemein nicht gesund für den Körper.
Was sind die Erfolgsfaktoren, um so jung und fit auszusehen wie du? Die Leser freuen sich bestimmt über einige deiner Anti-Aging-Tipps!
Es ist die Gesamtheit, die es schlussendlich ausmacht. Wichtig ist, immer so zu trainieren, dass es Spass macht. Meine Freunde sehe ich lieber im Fitnessstudio, anstatt abends in einer Bar. Nicht dauernd Burger und Pommes, sondern Gemüse und gute Kohlenhydrate essen, ist ebenfalls wichtig. Den Fleischkonsum habe ich stark reduziert, höchstens noch zwei- bis dreimal pro Woche je 500 Gramm, was für einen 100 kg schweren Bodybuilder nicht viel ist. Fettarme Saucen, ja sogar fettarme Pommes gibt es heute zu kaufen, jeder findet so etwas, das er für eine bessere Figur tun kann. Man muss sich einfach immer in Form halten, sonst hat man jedes Jahr ein bis zwei Kilos mehr auf den Hüften.
Es muss nicht jeder Weltmeister sein, aber fit für sein Wohlbefinden. Es stellt sich immer die Frage, wie viel du bereit bist zu geben. Trainierst du, um dich zu erhalten oder um Höchstleistungen zu erbringen? Das ist jedem persönlich überlassen und die Konsequenzen muss jeder selbst tragen.
Wie sieht eine deiner üblichen Tagesroutinen aus? Wann stehst du auf und was machst du dann?
Um 5:15 Uhr stehe ich auf und frühstücke. Um 6 Uhr beginnt meine Arbeit als Schlosser, da baue ich kleinere Teile für grosse Maschinen zusammen. Ich schmiede also nicht den ganzen Tag Schwerter (lacht), auch wenn meine Conan-Shows mit dem Schwert beliebt sind. Um 15, 16 Uhr habe ich Feierabend, erledige meine Alltagsarbeiten und gehe gegen 19 Uhr ins Studio trainieren.
Was sind deine Top-Tipps, um Bodybuilding-Champion zu werden?
Sportstudio aussuchen, wo erfolgreiche Athleten trainieren, um von ihnen zu lernen.Am Ball bleiben, auch an schlechten Tagen oder Wochen. Eins-zu-eins-Tipps einholen, die wirklich hilfreich sind. Youtube-Videos sind nicht immer zielführend. Einfache Methoden findet man fast keine mehr. Jeder macht irgendetwas Besonderes, das angeblich zum Erfolg führt. «Back to the roots» und sich an das Bewährte halten ist meine Devise!
Erfolg haben muss nicht immer kompliziert sein. Vor ein paar Jahren waren z.B. Gummibänder beliebt.
Arnold hatte auch nie ein Gummiband im Training, warum sollte ich eines haben? Einmal hat mich sogar einer angesprochen, weshalb ich keine Gummibänder benutze. Heute sieht man aber gar keine mehr. Das zeigt doch, dass es eher ein Hype war, anstatt eine Methode, die zu besserem Erfolg führt. Nicht alles dem Ziel unterordnen, sonst verliert man am Ende vielleicht alles: gesunde Gelenke, Freunde, Familie. Jeder muss für sich selbst entscheiden, wie viel er oder sie bereit ist zu opfern.
Welches sind deine fünf Top-Übungen, die jeder Athlet absolvieren sollte?
Letztendlich ist es ein Gesamtpaket, das es ausmacht, denn fünf Übungen reichen nicht aus. Aber die folgenden (siehe Box) finde ich sehr gut. Für Übung 5 ist es sogar besser mit Cable-Cross, also am Kabelzug mit überkreuzten Händen oder mit der Maschine, wo man drinsitzt. Diese beiden Übungen sind effektiver und trainieren besser, weil von Anfang an Belastung auf der Schulter liegt. Mit einer Kurzhantel hängt der Arm in der unteren Position nämlich nur, die Schulter arbeitet nicht.
Trittst du immer noch auf?
Seminare und Shows mache ich nach wie vor. Dann kriege ich noch immer Einladungen zu Wettkämpfen. Die Leute wollen sehen, wie ein 60-Jähriger noch ausschauen kann! Das kommt immer gut an: Die Zuschauenden sind begeistert und schreien. Deshalb werde ich noch regelmässig gebucht und ich verdiene damit weiterhin ein Teil meines Geldes.
Was für ein Typ Mensch sollte man sein, um im Bodybuilding erfolgreich zu sein?
Zielstrebig, würde ich sagen. Jeder will heute besonders sein. Aber nur weil jemand Muskeln hat und härter trainiert als die anderen, ist er deshalb noch lange kein besserer Mensch. Meiner Meinung nach sollte man einfach 100% geben.
Es gibt keine 120%, das ist Schwachsinn! Man muss einfach Leistung erbringen, sich fokussieren und ehrlich zu sich selbst sein, aber nicht überheblich und deshalb muss man schon gar nicht zum «Arschloch» werden. Ich habe mehr gemacht als die meisten anderen, aber deswegen muss ich mich nicht als «Gott» fühlen. Natürlich spielt auch die Genetik eine Rolle, um erfolgreich zu sein. Bei manchen geht es schneller und andere brauchen etwas länger, bis sich der Erfolg einstellt.
Was erachtest du als das Allerwichtigste im Leben?
Gesundheit, denke ich, ist das Wichtigste. Manche sind wegen des Spitzensports schon mit 30, 40 Jahren körperbehindert. Mein Wunsch war es immer, meine Gesundheit zu erhalten, was mir bislang sehr gut gelungen ist.
Was würdest du aus der Welt schaffen, wenn du es könntest?
Ich weiss nicht genau, wie ich das erklären soll. Vielleicht kann es als eine Ideologie verstanden werden. Viele glauben, nur ihre Ansicht sei die richtige. Vor allem, wenn der eigene Standpunkt schlimmstenfalls mit Gewalt durchgesetzt werden will, finde ich das nicht gut. Vielmehr sollte man von der eigenen Ansicht etwas abrücken und dafür mehr gemeinsam nach Lösungen suchen, also miteinander, statt gegeneinander. So könnten wir die Welt zu einem besseren Ort machen.
Was möchtest du den Lesenden mit auf den Weg geben?
Sich im Leben nie hängen lassen. Disziplin und Zuverlässigkeit an den Tag legen, sei das im Job, gegenüber Freunden oder beim eigenen Erscheinungsbild. In allen Bereichen an sich arbeiten und auf sich achten. Man muss kein Weltmeister sein, aber seinem Körper, den Mitmenschen und seiner Arbeit gegenüber mit Respekt begegnen, das kann wohl jeder!
1 Kniebeugen für die Beine
2 Bankdrücken für die Brust
3 Klimmzüge für den Rücken
4 Langhantel-Curls für den Bizeps sowie Seilzug «Pressdown» für den Trizeps
5 Seitheben für die Schultern
– z.B. mit Kurzhanteln
Besuche Thomas Scheu, IFBB Athlet, 6x Weltmeister
Instagram: @thomas_scheu
Facebook: @thomas.scheu.official
Webseite: www.thomasscheu.de