
In einem stressigen Alltag mit viel Arbeit und Stress sehnst du dich nach einer Entspannung? Ein lang bewährtes Mittel ist die progressive Muskelentspannung. Sie bietet eine einfache und effektive Methode, um Körper und Geist zu beruhigen. Es gibt viele Bücher, die dir zeigen, wie du dich in wenigen Minuten tief entspannen kannst. Aber welche Wirkungen hat die progressive Muskelentspannung genau? Und gibt es irgendwelche Nachteile oder Nebenwirkungen? Lese weiter, um zu erfahren, wie diese bewährte Technik auch dir helfen kann.
Definition
Die progressive Muskelentspannung (PME) wurde von Dr. Edmund Jacobson entwickelt, einem Arzt aus den USA. Das Ziel ist es, durch das gezielte Anspannen und danach Entspannen bestimmter Muskelgruppen einen tiefen Zustand der Entspannung zu erreichen. Während seiner Zeit an der Harvard University wurde Edmund Jacobson (1888 –1983) ein Vorreiter in der Erforschung der Verbindung zwischen Muskelspannung und körperlichen sowie geistigen Beschwerden. Seine Studien zeigten, das erhöhte Erregungszustände, die bei vielen psychischen Störungen wie Angst und Depression auftreten, grundsätzlich nicht mit körperlicher Entspannung vereinbar sind. In seinem wegweisenden Buch «You Must Relax», das 1934 veröffentlicht wurde, argumentierte Jacobson, dass das Erlernen bewusster körperlicher Entspannung auch eine wirksame Behandlung für psychische Probleme sein kann.
Psychologie
Die progressive Muskelentspannung wird nicht nur in der Psychologie eingesetzt, sondern findet auch Anwendung bei verschiedenen körperlichen Beschwerden wie Neurodermitis, Asthma, Bluthochdruck, Kopfschmerzen und Rückenschmerzen.
Wann hilft progressive Muskelentspannung?
Das Entspannungsverfahren hilft bei vielen körperlichen und psychischen Beschwerden wie:
- Chronische Schmerzen
- Ängste bzw. Angststörungen
- Schlafstörungen
- Stress und Stressfolgen (z. B. Verspannungen)
- Depression
- Stimmungsschwankungen
- Kopfschmerzen
- Bluthochdruck
Gezielte Muskelentspannung hilft dabei, mit Stress besser umzugehen, stärkt die Fähigkeit, emotionale Belastungen zu bewältigen, fördert innere Ruhe und mindert psychische Spannungen und Ängste.
Für wen ist PME geeignet?
PME ist für alle geeignet, die ihre Muskeln kontrollieren können und nicht an einer schweren Psychose leiden. Ideal für Menschen, die eine bewusste Pause und eine Aktivität zur Selbstfürsorge suchen. Sie ist besonders gut für Anfänger geeignet, da sie leicht allein durchgeführt werden kann und dabei hilft, den Alltagsstress zu lindern. Bei Kindern kann die PME schon in jungen Jahren gegen Angststörungen, Kreislaufbeschwerden oder Schulstress helfen. Vermeide PME bei Muskel- oder Sehnenentzündungen und halte bei psychischen Erkrankungen Rücksprache mit deinem Arzt.
Anwendung
Bei der progressiven Muskelentspannung spannst du nacheinander verschiedene Muskelgruppen an und entspannst sie wieder. Am Anfang wird zum Beispiel die Faust angespannt und wieder locker gelassen. Mit mehr Übung können dann mehrere Muskelgruppen gleichzeitig angespannt und entspannt werden, was schneller zu einer Entspannung des ganzen Körpers führt. Die Übungen können im Sitzen oder im Liegen gemacht werden. Der Vorteil der sitzenden Position ist, dass du die Übungen leicht in den Alltag einbauen kannst, zum Beispiel am Schreibtisch oder im Zug. Die liegende Position wird oft bevorzugt, weil sie der Schlafposition ähnelt und es dadurch einfacher ist, sich zu entspannen, besonders für Anfänger.
Nachfolgend eine Anleitung für die progressive Muskelentspannung, die du selbst einmal ausprobieren kannst:
Vorbereitung
Setze oder lege dich bequem hin. Stell sicher, dass du nicht gestört wirst. Schliesse die Augen und atme tief ein und aus.
Schritt 1: Hände und Arme
1. Rechte Hand:
Atme ein und balle deine rechte Hand zur Faust. Halte die Luft an (gilt für alle Übungen) und spüre die Spannung. Atme aus und lass die Faust los. Entspanne deine Hand und deinen Arm.
2. Linke Hand:
Atme ein und balle deine linke Hand zur Faust. Spüre die Spannung. Atme aus und lass die Faust los. Entspanne deine Hand und deinen Arm.
3. Beide Hände und Unterarme:
Atme ein und spanne beide Hände und Unterarme an. Atme aus und entspanne dich. Spüre den Unterschied zwischen Anspannung und Entspannung.
Schritt 2: Schultern
4. Schultern zurückziehen:
Atme ein und ziehe deine Schultern nach hinten, sodass sich deine Schulterblätter berühren. Spüre die Spannung. Atme aus und entspanne dich.
5. Schultern nach vorne ziehen:
Atme ein und ziehe deine Schultern nach vorne. Spüre die Spannung. Atme aus und entspanne dich.
Schritt 3: Beine und Füsse
6. Fussspitzen anheben:
Atme ein und hebe deine Fussspitzen an. Spüre die Spannung in den Waden und spanne zusätzlich deine Oberschenkelmuskulatur an.. Atme wieder aus und entspanne dich.
7. Zehen einrollen:
Atme ein und rolle deine Zehen ein, als wolltest du etwas greifen. Spüre die Spannung. Atme aus und entspanne dich.
Schritt 4: Bauch und Gesicht
8. Bauchmuskeln anspannen:
Atme ein und spanne deine Bauchmuskeln an. Spüre die Spannung. Atme aus und entspanne dich.
Kiefer und Lippen: Atme ein und beisse leicht die Zähne zusammen. Spüre die Spannung im Kiefer. Atme aus und entspanne dich. Atme erneut ein und presse die Lippen zusammen. Atme aus und entspanne dich.
9. Stirn und Augen:
Atme ein und ziehe die Augenbrauen nach oben, runzle die Stirn. Spüre die Spannung. Atme aus und entspanne dich. Kneife die Augen zusammen, spüre die Spannung. Atme aus und entspanne dich.
Abschluss
Geniesse die Entspannung in deinem ganzen Körper. Wandere mit deiner Aufmerksamkeit vom Kopf bis zu den Füssen. Atme tief und gleichmässig. Wenn du die Übung beenden möchtest, bewege langsam deine Finger, Hände, Zehen und Füsse. Strecke dich und öffne die Augen.
Wie häufig solltest du progressive Muskelentspannung praktizieren?
Für Anfänger ist es am besten, wenn sie von einer erfahrenen Person in 8 bis 10 Sitzungen in die Technik eingeführt werden. Diese Person kann individuell auf deine Situation und Fragen eingehen. Dadurch wird der Ablauf automatisiert. Es ist auch wichtig, regelmässig zu üben. Am Anfang lohnt es sich, sich täglich 10 bis 20 Minuten dafür zu nehmen, damit du die Entspannungstechnik im Alltag anwenden kannst. Deine Muskeln können lernen, sich schnell zu entspannen, was deine Fähigkeit verbessert, mit Stress umzugehen.
Wirkung
Die Wirksamkeit der progressiven Muskelentspannung wurde in vielen Studien bestätigt. Eine grosse Analyse aus den 1990er-Jahren zeigte, dass die Symptome deutlich gelindert wurden und das allgemeine Wohlbefinden bei Patienten besser war, die nur die progressive Muskelentspannung als Therapie nutzten. Du kannst zum Beispiel die progressive Muskelentspannung mit anderen Methoden wie kognitiver Verhaltenstherapie (eine Form der Psychotherapie, die darauf abzielt, psychische Probleme zu behandeln) und medizinischen Behandlungen kombinieren. Wichtig zu wissen ist, dass die optimale Wirksamkeit davon abhängt, welches Leiden du hast. Je öfter du übst, desto besser wirkt die Entspannung.
Wie schnell wirkt Progressive Muskelrelaxation?
Manche Menschen spüren die positiven Effekte der Entspannung schon nach kurzer Zeit. Normalerweise dauert es 8 bis 12 Wochen, um zu lernen, wie du dich richtig entspannst. Es braucht eine Weile, bis Körper und Geist einen Punkt erreichen, an dem Entspannung leicht fällt. Erfahrene Personen können die progressive Muskelentspannung gedanklich durchführen und sie in jeder Situation anwenden, ohne ihre Muskeln tatsächlich anzuspannen. Die Wirksamkeit der progressiven Entspannung wird durch regelmässiges Üben verbessert.
Vorteile
- Stressabbau
- Verbesserung des Schlafs
- Schmerzlinderung
- Angstbewältigung
- Verbesserte Konzentration
- Blutdrucksenkung
- Erhöhte Körperwahrnehmung
- Unterstützung bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen
Nachteile & Nebenwirkungen
Die progressive Muskelentspannung hat viele Vorteile und nur wenige Nachteile. Im Gegensatz zu Medikamenten hat diese Methode fast keine Nebenwirkungen. Manche Menschen verlassen sich zu sehr darauf und vernachlässigen andere wichtige Behandlungen. Bei leichten Beschwerden wie Kopfschmerzen oder leichten Angststörungen kann die Methode gut helfen. Bei schweren Erkrankungen wie Krebs oder schweren Depressionen kann es jedoch gefährlich werden, wenn wesentliche Behandlungen wie Chemotherapie, Medikamente oder Psychotherapie nicht durchgeführt werden.
In den letzten Jahren hat die Forschung zur progressiven Muskelentspannung abgenommen. Das ist ein Nachteil, weil diese Methode noch nicht in allen Bereichen ausreichend untersucht wurde. Manche glauben, dass ihre Wirksamkeit bereits erwiesen wurde, was zu weniger Interesse an weiterer Forschung führt. Neue Forschungsmethoden könnten aber wichtige Erkenntnisse liefern, besonders in Kombination mit anderen Therapien.
Tipps für PME
- Regelmässiges und konsequentes Training lässt dich die positiven Auswirkungen in kürzester Zeit spüren.
- Du kannst in jeder Position üben, die dir am besten passt – im Stehen, Liegen oder Sitzen.
- Um deine Muskeln zu entspannen, versuche ein ruhiges und gleichmässiges Atemmuster beizubehalten.
- Wenn du bestimmte Muskelgruppen gezielt anspannst und wieder entspannst, ist es wichtig, dass du deinen Fokus darauf richtest.
- Wenn deine Gedanken abschweifen, lass dich nicht aus dem Rhythmus bringen. Konzentriere dich stattdessen wieder auf die Muskeln.
- Spanne deine Muskelgruppen etwa 10 Sekunden lang an, gefolgt von einer anschliessenden Entspannung und Erholung für etwa 30 Sekunden. Behalte die Sekunden im Kopf.
Fazit
Im Grossen und Ganzen ist die progressive Muskelentspannung eine einfache und wirksame Technik, die Menschen jeden Alters helfen kann, besser mit Stress umzugehen und sich insgesamt wohler zu fühlen. Sie ist einfach zu erlernen und kann ohne Hilfe durchgeführt werden. Du kannst sie im Stehen oder Liegen praktizieren, wodurch sie an vielen Orten angewendet werden und gut in den Alltag integriert werden kann. Besonders nach dem Training eignet sich PME hervorragend als Entspannungsmethode, um den Körper wieder zur Ruhe zu bringen. Es ist jedoch von grosser Bedeutung, dass bei schweren Krankheiten andere Therapien und wichtige Behandlungen nicht vernachlässigt werden sollten.
Autorin: Jaline De Leon
Quellen:
- www.foodspring.de/magazine/progressive-muskelentspannung
- www.helsana.ch/de/blog/psyche/entspannung/progressive-muskelentspannung.html
- www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/therapie/entspannungsverfahren/progressive-muskelentspannung/
- www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/entspannung/progressive-muskelentspannung-pmr-einfache-anleitung/
- www.orthomol.com/de-de/lebenswelten/nerven-psyche-stress/progressive-muskelentspannung