Starke Schultern Teil 3 – Schulterblattstabilität: Praktische Empfehlungen
Wenn man über gesunde Schultern spricht, kommt man am Schulterblatt nicht vorbei. Das Schulterblatt gleitet auf der Rückseite des Brustkorbes in verschiedene Richtungen und ist massgeblich an allen Schulterbewegungen beteiligt. Und das, obwohl es sich beim sogenannten scapulothorakalen Gelenk nicht einmal um eine «echte» Gelenkverbindung handelt.
Eine Vielzahl verschiedener Muskeln sind für die optimale Führung und Stabilität des Schulterblattes verantwortlich und sorgen somit für einen reibungslosen Ablauf diverser Schulterbewegungen.
In diesem Artikel wirst du erfahren, welche Muskeln für die Schulterblattstabilität wichtig sind, welche Probleme entstehen können und was man im Training berücksichtigen sollte.
Was macht das Schulterblatt überhaupt?
Das Schulterblatt gleitet auf dem Brustkorb in verschiedene Richtungen und ist an jeder Armbewegung beteiligt. Wir unterteilen folgende Bewegungen des Schulterblattes:
- Elevation – Schulterblatt wird nach oben gezogen
- Depression – Schulterblatt wird nach unten gezogen
- Retraktion – Schulterblätter werden zusammengezogen
- Protraktion – Schulterblätter werden auseinandergezogen
- Mediorotation – Schulterblätter werden nach innen rotiert
- Lateralrotation – Schulterblätter werden auswärts rotiert
Welche Muskeln sind an der Schulterblattbewegung beteiligt?
Für eine saubere Führung des Schulterblattes müssen sehr viele Muskeln optimal zusammenarbeiten. Je nach Bewegungsrichtung sind die Muskeln unterschiedlich an der Führung beteiligt. Die wichtigsten Muskeln dieses Ablaufes sind:
- Musculus (M.) trapezius pars descendens
- M. trapezius pars transversa
- M. trapezius pars ascendens
- M. levator scapulae
- M. rhomboideus minor
- M. rhomboideus major
- M. infraspinatus
- M. supraspinatus
- M. suscapularis
- M. teres minor
- M. deltoideus (alle Anteile)
- M. triceps brachii
- M. serratus anterior
- M. latissimus dorsi
- M. teres major
Gefahrenquellen
1. Überaktivität der Nackenmuskeln
Viele Menschen neigen zu einer erhöhten Spannung der oberen Nackenmuskeln, speziell des Musculus trapezius descendens und des Musculus levator scapulae. Dies führt dazu, dass sich das Schulterblatt bereits in Ruhe in einer Elevationsstellung befindet oder in Bewegung viel zu früh hochgezogen wird. Dadurch entstehen weitere Verspannungen, was eine mangelnde Effizienz der Bewegung zur Folge hat. Oft haben diese Leute Probleme, indem ihre Arme einschlafen, wenn sie länger über dem Kopf gehalten werden.
Was können wir dagegen tun?
- Verspannte Muskeln sind in der Regel zu schwach. Moderne Untersuchungen zeigen, dass die Spannung der Nackenmuskulatur durch gezieltes Nackentraining, anstatt durch alleinige Mobilisationsübungen nachhaltiger reduziert werden kann.
- Die Spannung der überaktiven Muskeln reduzieren mittels Mobilisierungsübungen oder Massagen bzw. Foam Rolling (M. trapezius descendens, M. levator scapulae).
- Die Gegenspieler, die das Schulterblatt herunterbringen, trainieren. Der M. serratus anterior, der M. latissimus dorsi und der untere Anteil des M. trapezius sind hier wohl die wichtigsten Muskeln.
- Das richtige Timing und die richtige Koordination der Muskeln mit diversen Schulterübungen trainieren.
2. Überaktivität der vorderen Muskelkette
Durch die alltäglichen Anforderungen neigen viele Menschen dazu, ihre Schultern in einer sogenannten Protraktionsstellung zu halten. Damit entwickelt sich eine Überaktivität der vorderen Schulter– und Brustmuskulatur.
Was können wir dagegen tun?
- Die Gegenspieler trainieren. Dabei sind vor allem der mittlere Anteil des M. trapezius und die Rhomboiden die wichtigsten Muskeln, welche die Schulterblätter zusammenführen. Diese Muskeln trainieren wir mit allen Arten von Zugübungen.
- Die vordere Kette in verlängerter Position trainieren, um diese gezielt zu öffnen.
- Die vordere Muskelkette durch Mobilisierungsübungen und Foam Rolling entspannen (grosser Brustmuskel, vordere Schultermuskeln).
3. Fehlende Schulterblattkontrolle
Bei vielen Leuten kommt es bei Stützpositionen oder beim einfachen Heben des Armes zu einem Abheben des Schulterblattes. Dies kann eine ganze Kette an Funktionsstörungen an der Schulter auslösen. Dabei sind vor allem der M. serratus anterior und die Rhomboiden gegen ein Abkippen des Schulterblattes verantwortlich.
Was können wir dagegen tun?
- Stützaktivitäten unter Kontrolle der korrekten Schulterblattposition absolvieren.
- Schwimmbewegungen in Bauchlage für die Aktivierung der Rhomboiden durchführen und das richtige Timing der verschiedenen Anteile des Trapezius beachten.
- Wahrnehmungsschulung bei diversen Schulterbewegungen durchlaufen.
Für eine gute Bewegungsökonomie ist auch das Timing der Schulterblattbewegungen wichtig. Dabei geht es nicht nur um das Zu-frühe-Hochziehen der Schultern, sondern viel mehr um eine halbwegs synchrone Bewegung des linken und rechten Schulterblattes.
Besonders bei oder nach Verletzungen erkennt man oft eine sehr unrunde Bewegung durch ein falsches Timing der jeweiligen Muskulatur. Dabei geht es oft um Schonhaltungen und deshalb fehlende Aktivierung gewisser Muskeln (Schutz) bzw. einer Überaktivierung anderer Muskeln. Nicht selten verspannt sich dabei die obere Nackenmuskulatur und sorgt für ein zu frühes Hochziehen der Schulterblätter.
Es handelt sich dabei in der Regel um ein Aktivierungs-, Kraft- und/oder Koordinationsproblem. Wir müssen also immer schauen, dass die Muskeln rund um das Schulterblatt gleichmässig aufgebaut werden und anschliessend das Zusammenspiel dieser Muskeln wieder trainieren.
Was können wir dagegen tun?
- Herausfinden, welche Muskeln zu wenig aktiv sind und diese durch gezielte Übungen wieder aktivieren und aufbauen.
- Die vernachlässigten Muskeln in komplexe Bewegungen integrieren.
- Koordination und Technik bei den gewünschten Bewegungen optimieren und harmonisieren.
4. Kräftegleichgewicht
Ein sehr wichtiger Punkt bei der Schultergesundheit ist ein bestimmtes Gleichgewicht der Muskulatur. Wie wir bereits gehört haben, ist unser Alltag eher innenrotationsdominant. Wir führen die meisten Bewegungen im Vorderteil unseres Körpers aus und erreichen somit verstärkte Aktivierung der vorderen Muskulatur. Die rückwärtige Muskulatur wird dabei oft vernachlässigt. Deshalb ist es im Training umso wichtiger, ein gutes Verhältnis zwischen vorderer und hinterer Muskulatur anzustreben. Dies erreichen wir vor allem durch eine korrekte Ausführung von diversen Zugübungen. Genauso sollten auch Überkopfbewegungen dosiert und in richtiger Ausführung trainiert werden, um die Funktion unserer Schulter wiederzubeleben.
5. Brustwirbelsäule
Das Schulterblatt ist mit dem hinteren Brustkorb verbunden. Damit dieses optimal gleiten kann, sind Form und Beweglichkeit der Brustwirbelsäule (BWS) sehr wichtig. Die meisten Menschen verlieren mit der Zeit die Fähigkeit, ihre Brustwirbelsäule vollständig zu strecken und zu rotieren.
Das führt dazu, dass wir auch bei der Schulterblattbewegung kompensieren müssen, besonders dann, wenn es sich um Überkopfbewegungen handelt. Die häufigsten Folgen sind Verspannungen und Überlastungen im Bereich der Schulter und des Nackens.
Somit sind Mobilitäts- und Stabilitätsübungen für die Brustwirbelsäule essenziell, wenn es um ein gutes Funktionieren des scapulothorakalen Gleitens geht.
6. Halswirbelsäule
Wir haben bereits über die Bedeutung des M. Trapezius und M. Levator Scapulae gelernt. Diese Muskeln haben sowohl Verbindungen mit der Halswirbelsäule als auch mit dem Schulterblatt. Wenn es also zu Problemen in der Halswirbelsäule kommt und die Muskulatur darauf reagiert, hat dies auch Einfluss auf die Schulterblattbewegung.
Eine stabile und bewegliche Halswirbelsäule ist also eine wichtige Grundlage für eine saubere harmonische Schulterblattbewegung.
7. Variabilität
Die Schulter ist ein Gelenk mit sehr vielen Freiheitsgraden und dafür gemacht, eine Vielzahl an Bewegungen auszuführen. Wir sollten dem Trainingsplan Achtung schenken, indem wir alle Bewegungsebenen der Schulter abdecken und immer wieder Variationen mit ins Training einfliessen lassen.
Besonders im Bereich der Schulterblätter kommt es vor allem dann zu Verspannungen, wenn diese einseitig monoton oder einfach zu wenig bewegt werden.
Top 3 Übungen für die Schulterblattstabilität
Vor allem im Warm-Up kann bereits einiges für gesunde Schultern gemacht werden. Wir empfehlen folgende 3 Warm-Up Übungen:
Bear
Knie-, Hüft- und Schultergelenk befinden sich in 90°-Stellung und die Schultern werden aktiv in Protraktion gebracht, während die gesamte Wirbelsäule neutral gehalten wird. Diese Position soll für ca. 45 bis 60 Sekunden beibehalten werden.
Prone Y
Bei dieser Übung geht es darum, die Schulterblätter nach hinten zu ziehen, während die BWS, der Kopf und die Arme vom Boden abgehoben werden.
2 Sätze zu je 12 bis 15 Wiederholungen sind für das Warm-Up optimal.
Band Pull-Aparts
Ein Band wird auseinandergezogen und die Schulterblätter nach hinten-unten gezogen. Die Übung wird für 2 Sätze und je 12 bis 15 Wiederholungen ausgeführt.
Pro Tipp gilt: Trainiere die Schulterfunktionen immer in Zusammenarbeit mit der Aktivität der Rumpfmuskulatur. Die Effektivität der Übungen steigt damit deutlich.