«Ich liebe es, einfach anders zu sein»
Interview mit Tim Budesheim

geführt von Mark Dickenmann (Oktober, 2020)

Tim Budesheim
Foto: Matthias Drobeck

Mitarbeit auf dem elterlichen Hof, Vollzeitstudium als Maschinenbau-Ingenieur, Profi im Bodybuildingsport und bald zweifacher Familienvater. – Er erzählt, wie er das alles unter einen Hut bringt.

 

Mark: Hallo Tim. Danke, dass du dir die Zeit nimmst für ein Interview. Das freut uns sehr.

 

Tim: Sehr gerne, danke euch für die Einladung.

 

War es je dein Traum, Bodybuilder zu werden und wie bist du zu dem Sport gekommen?

 

Nein, mein Traum war es nicht. Muskulöse Körper haben mich jedoch von klein auf fasziniert. Schon als 10-jähriger Junge habe ich auf dem Spielplatz lieber Klimmzüge gemacht als geschaukelt oder gespielt.

 

Damals gab es noch kein Social Media, sonst wäre es vielleicht mein Traum gewesen, Bodybuilder zu werden. Wenn ich Glück hatte, bekam ich mal eine Bodybuilding-Zeitschrift in die Hand. Auf dem Land, wo ich wohne, war das schon ein kleines Highlight. Hier führen die Kioske nämlich keine solchen Zeitschriften. Mit dem Fitnesstraining kam ich durch die Lehre – damals mit 15 Jahren – in Kontakt.

 

Viele meiner Freunde hatten bereits in einem Studio trainiert und trotzdem war ich einer der Kräftigsten, da ich schon zuhause etwas trainierte, aber auch durch die Arbeit auf dem landwirtschaftlichen Betrieb, den meine Eltern führten und wir noch heute haben. Sie nahmen mich mit ins Fitnessstudio, wo ich dann ziemlich schnell einen richtigen Bodybuilder kennenlernte, den Antonio Murania. Er nahm mich dann mit zu seinem Coach und das war der Beginn meiner Bodybuilding-Karriere.

 

Was ist für dich das Grösste am Bodybuilding, welchen Teil liebst du am meisten?

 

Am meisten liebe ich die Exklusivität an diesem Sport. Ich liebe es, einfach anders zu sein. Ich habe Dinge schon immer anders gemacht als die meisten Menschen. Natürlich liebe ich auch das Training mit den Gewichten.

 

Als Bodybuilder fällt man in der Regel auf, das gefällt mir sehr gut, auch wenn dieser optische Eindruck nicht immer positiv ankommt. Ausserdem hat man immer ein Gesprächsthema, wie Ernährung, Diäten, Business, Social Media und alles, was dazu gehört.

 

Du bist im Gegensatz zu deinen Konkurrenten schon fast alternativ. Damit meine ich, dass du nebenher Vollzeit arbeitest bzw. aktuell noch studierst, auf dem Hof deiner Eltern mithilfst und dazu bald zweifacher Vater wirst. Wie schaffst du das alles?

 

Das ist eine gute Frage, manchmal frage ich mich das selbst. Ich denke, man muss Dinge manchmal einfach machen. Es gibt Menschen, die denken viel nach und ich mache sie halt einfach.

 

Zurzeit bin ich Vollzeit im Studium als Maschinenbau-Ingenieur, davor habe ich immer nebenher gearbeitet. Früher war ich im Bergbau 1000 Meter unter der Erde, da gab es sogar einen Dreischichtbetrieb und ich musste oft vor 4 Uhr morgens aufstehen, da meine Schicht um 5 Uhr begonnen hat. Auch damals habe ich nebenher immer Wettkämpfe bestritten.

 

Bei mir funktioniert das, indem ich die Prioritäten verschiebe. Im Moment bin ich gerade in den Semesterferien, da liegt mein Fokus auf dem Training und dem Social Media Business. Sobald die Schule losgeht, verschiebe ich den Fokus und damit die Priorität auf das Studium, das Training muss dabei natürlich nebenher weiterlaufen. Der Fokus ist dann vielleicht nicht ganz derselbe, trotzdem absolviere ich intensive Workouts. Ausserdem gehe ich lieber trainieren, anstatt mich abends vor den Fernseher zu setzen, so nutze ich die Zeit optimal. Für absolut wichtig halte ich ein gutes Team. Damit meine ich meine Familie, meinen Coach, meine Sponsoren, Kameraleute etc. Ich denke, ich könnte tatsächlich bessere Leistungen bringen, wenn ich den Fokus auf einer einzigen Sache hätte. Als ich das Studium begann, war ich noch kein IFBB Pro, deswegen höre ich aber jetzt nicht auf, sondern bringe zu Ende, was ich angefangen habe.

 

Wie siehst du die Zukunft des Bodybuilding-Sports?

 

Ich denke, es geht ähnlich weiter wie bisher. Es wird weitere neue Klassen geben. Man denke nur an Männer in Badehose auf der Bühne, vor 10 bis 15 Jahren hätte man darüber nur gelacht, heute gehört das einfach dazu und ist völlig normal. Ich denke aber auch, dass das Schwergewichts-Bodybuilding die Königsdisziplin bleiben wird, es ist das Formel-1 des Bodybuildings. Schön finde ich dabei, dass der Trend aktuell von der Freakshow weggeht. Es wird wieder vermehrt auf schöne, ausgeglichene Körper geachtet und nicht auf Masse über alles.

 

Wie oft und wie lange trainierst du in der Woche?

 

Ich trainiere mindestens viermal pro Woche jeweils über 2 Stunden. Cardio und Stretching zähle ich dabei nicht als Trainingszeit. Ich liebe einfach das Training und mag lange Workouts, nur so kann ich meinen Trainingsreiz befriedigen. In der Regel trainiere ich aber fünfmal die Woche – in der Wettkampfvorbereitung dann auch täglich von Montag bis Sonntag.

 

Wie siehst du deine Zukunft und wo wirst du deinen Fokus setzen?

 

Ich hoffte, dass die Frage nicht kommt (lacht). Das kann ich zurzeit nicht beantworten, ich bin so der Step-by-Step-Typ und schaue, wie sich die Dinge entwickeln. Es wird immer schwieriger, Sport und Beruf unter einen Hut zu bringen, da muss ich ehrlich sein. Bald wird der Zeitpunkt kommen, an dem ich mich entscheiden muss, Sport oder Beruf.

 

Du bist jemand, der abliefern kann und Resultate zeigt. Ist der Mr. Olympia ein Ziel für dich, das du anstrebst oder siehst du eher davon ab?

 

Vor einem Jahr hätte ich das nicht gewusst und die Frage so nicht beantworten können. Doch als Profi ist für mich an dieser Stelle nun klar, dass der Mr. Olympia-Wettkampf der nächste Schritt sein muss. Deshalb ganz klar, es ist mein Ziel!

 

Wir wollen nicht nur die positiven Seiten dieses Sports ansprechen, sondern auch die negativen. Deshalb die Frage: Was ist für dich das Unangenehmste beim Bodybuilding? Gibt es etwas, das du hasst oder dir sehr schwer fällt?

 

Wenn man mit dem Sport beginnt, entscheiden die Genetik und Disziplin immer über den Erfolg. Je höher man kommt, je mehr können auch andere Faktoren entscheiden. Ich möchte keine Details verlieren. Wer sich in dem Sport auskennt, kann sich vielleicht denken, von was ich spreche. Das nervt mich. Ansonsten ist es ein sehr ehrlicher Sport und es gibt in meinen Augen wenig Negatives. Man muss hart trainieren, richtig essen und sich regenerieren. Wer das nicht tut, betrügt sich selbst.

 

Ein weiterer Punkt ist Social Media Business. Es gibt einige grossartige Athleten, die sportliche Top-Leistungen erbringen und in der Szene trotzdem auf der Strecke bleiben, weil sie sich einfach nicht vermarkten können. Social Media Reichweite, Likes und Follower sind so wichtig geworden, dass die sportliche Leistung nach hinten gedrängt wird. Ein starkes Social Media Profil ist auch eine Leistung, hat aber nichts mit dem Sport selbst zu tun. So kommt es, dass mittelmässige Sportler auf Social Media gehypt und gefeiert werden. Das finde ich wirklich schade. Daran musste ich mich auch erst mal gewöhnen, was nicht einfach war. Heute musst du dich als Sportler medial vermarkten können, um Erfolg zu haben.

 

Verspürst du als Profi einen Druck, an Wettkämpfen teilzunehmen und gewisse Resultate zu erzielen oder gehst du das locker an?

 

Ja, es gibt Vorstellungen und Erwartungen, die man an sich selbst hat. Vor allem rennt einem als Sportler die Zeit davon, wenn man nicht regelmässig an Wettkämpfen teilnimmt. Durch die Corona-Krise habe ich nun wieder ein Jahr verloren. Während der Wettkampf-Vorbereitung erwarten Fans und Sponsoren natürlich auch, dass man an seiner bisherigen Leistung anknüpft und noch besser abliefert als zuvor. Das ist schon ein grosser Druck. Schon mancher Bodybuilder hat aufgehört, weil der Druck einfach zu gross war. Wenn man aber ehrlich ist, macht man sich den Druck nur selbst, man muss damit umgehen können.

 

Wenn du jemandem nur einen einzigen Tipp geben dürftest, um im Bodybuilding erfolgreich zu sein, welcher wäre das?

 

Beständigkeit! Das bedeutet, dass man konstant trainiert und seine Ziele verfolgt. Viele wollen gerade am Anfang alles auf einmal und geben 300% Leistung. Nach kurzer Zeit lassen sie nach und geben nur noch 50%. So wird man keinen Erfolg haben. Nur wer konstant und beständig ist, wird etwas erreichen können. Dasselbe gilt für Wettkämpfe. Wer jung ist und Ambitionen hegt, muss einfach kontinuierlich Wettkämpfe bestreiten. Wer 2 bis 3 Jahre aussetzt, verliert kostbare Zeit. Man muss einfach dranbleiben und am besten jedes Jahr mindestens einen Wettkampf bestreiten.

 

Was möchtest du unseren Leserinnen und Lesern noch mit auf den Weg geben?

 

Wir alle haben Vorurteile gegenüber anderen Menschen. Als Bodybuilder begegnet man dem sehr stark, weil man einfach anders ist. Daran könnt ihr nichts ändern. Der erste Eindruck ist halt immer der erste Eindruck. Was ihr jedoch ändern könnt, ist der zweite Eindruck. Man kann den Leuten zeigen, dass ihre Vorurteile falsch waren. Deshalb finde ich, man sollte freundlich sein, anderen helfen und Vorbild sein. Leute vom Gegenteil überzeugen, von dem, was sie vielleicht denken. Überrasche die Menschen in deinem Umfeld einfach positiv. Zusätzlich möchte ich noch erwähnen, dass es keine Wundermittel gibt. Jeder sollte sich fragen, ob er oder sie sein/ihr Potenzial voll ausgeschöpft hat.

 

Vielen Dank für das spannende Interview, Tim.

 

Es hat grossen Spass gemacht. Danke euch, es war mir ein Vergnügen.