Blood Flow Restriction Training - Bizepscurls

Foto: KI generiert mit Gemini

Stell dir vor, du könntest deine Muskeln genauso effektiv aufbauen wie mit schweren Gewichten – aber mit nur einem Drittel der Belastung.Was zunächst wie ein Fitnessmythos klingt, ist mittlerweile wissenschaftlich belegt: Blood Flow Restriction Training (BFR), auch bekannt als Blutflussrestriktionstraining oder Okklusionstraining, eröffnet neue Möglichkeiten im Kraft- und Rehatraining.

Ob du Sportler bist, dich von einer Verletzung erholst oder einfach effektiver trainieren möchtest – BFR bietet eine schonende und dennoch wirkungsvolle Methode, um deine Muskeln zu stärken.

Ursprung und Geschichte

BFR-Training stammt ursprünglich aus Japan, unter dem Namen KAATSU-Training. Entwickelt wurde die Methode in den 1960er Jahren von Dr. Yoshiaki Sato, der herausfand, dass gezielte Blutflussrestriktion in Kombination mit leichtem Training erstaunliche Muskelwachstumsreaktionen hervorruft.

Seitdem hat sich die Methode weltweit verbreitet: In Rehabilitationszentren, Physiotherapiepraxen und Fitnessstudios wird BFR zunehmend genutzt, sowohl für Profisportler als auch für Patienten nach Verletzungen.

Was genau ist Blood Flow Restriction Training?

Beim BFR-Training wird der Blutfluss im Muskel bewusst eingeschränkt.
Dazu werden Manschetten oder elastische Bänder am Oberarm oder Oberschenkel angebracht. Dabei wird der venöse Rückfluss teilweise blockiert, während der arterielle Zufluss weitgehend erhalten bleibt.

Das Ergebnis: Das Blut staut sich im Muskel, wodurch ein starker metabolischer Stress entsteht. Der Körper reagiert darauf mit:

  • gesteigerter Hormonproduktion (z.  Wachstumshormon)
  • Aktivierung von Muskelzellen
  • starkem Wachstumsreiz

Dadurch ähnelt der Effekt dem von schwerem Krafttraining, obwohl nur 20 – 30 % des Maximalgewichts (1RM) verwendet werden.

Physiologische Mechanismen

Warum funktioniert Blutflussrestriktionstraining so gut? Die Wissenschaft kennt mehrere Mechanismen:

  1. Metabolischer Stress: Durch die eingeschränkte Durchblutung sammelt sich Laktat an, das wiederum die Ausschüttung von Wachstumshormonen stimuliert.
  2. Aktivierung schneller Muskelfasern: Auch bei niedriger Last werden Typ-II-Fasern aktiviert, die entscheidend für Kraft und Muskelvolumen sind.
  3. Zellschwellung (Cell Swelling): Das Aufpumpen des Muskels signalisiert dem Körper, dass er Muskelgewebe aufbauen
  4. Hormonelle Antwort: Studien zeigen, dass BFR die Ausschüttung von Wachstumshormon und IGF-1 erhöht, was die Muskelproteinsynthese unterstützt.

Mit anderen Worten: Der Körper «denkt», er trainiere schwer, obwohl die tatsächliche Belastung moderat ist. Das erklärt, warum BFR sowohl für Muskelaufbau als auch für Rehabilitation effektiv ist.

Wissenschaftliche Evidenz

Mehrere Studien belegen die Wirksamkeit des Trainings:

  1. Deutsche Sporthochschule Köln (2020)
  • Teilnehmer: 31 gut trainierte Ruderer
  • Dauer: 5 Wochen BFR-Training
  • Ergebnis: Trotz niedriger Intensität stieg die maximale Sauerstoffaufnahme (VO₂max)

Diese Studie zeigt, dass BFR nicht nur Muskelwachstum, sondern auch kardiovaskuläre Anpassungen fördern kann.

  1. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin (2019)
  • Vergleich: Beinpresse mit und ohne Blutflussrestriktion
  • Ergebnis: Bereits bei 30% des 1RM erzeugte BFR höhere Laktatwerte und ähnliche Belastung wie schweres Training.

Damit bestätigt die Studie die Effektivität von Okklusionstraining bei moderater Last.

  1. Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp, 2023)

Diese offizielle Expertenempfehlung hebt hervor, dass BFR-Training sicher und vielseitig einsetzbar ist, wenn die richtige Technik angewendet wird.

Einsatzgebiete von BFR

  1. Rehabilitation: Nach Verletzungen oder Operationen (z. B. Kreuzbandriss, Meniskus-OP, Gelenkersatz) verhindert BFR Muskelabbau und ermöglicht den frühen Kraftaufbau, selbst wenn hohe Gewichte noch nicht möglich sind.
  1. Leistungssport: Profis nutzen Okklusionstraining als ergänzendes Hypertrophie-Tool – z. B. in Deload-Phasen oder zur gezielten Aktivierung kleiner Muskelgruppen.
  1. Ausdauertraining: Neuere Studien zeigen, dass BFR auch die Kapillarisierung verbessert und die aerobe Leistungsfähigkeit steigern kann. Damit wird die Methode für Radfahrer, Läufer oder Triathleten interessant.

Praktische Anwendung: So stellst du den Manschettendruck richtig ein

Der richtige Druck in der BFR-Manschette ist entscheidend – er sorgt für den gewünschten «Pump-Effekt» im Muskel, ohne Risiken einzugehen. Hier eine einfache Erklärung und Tipps, wie du das sicher machst.Der empfohlene Manschettendruck

  • Zielbereich: 40–80 % deines persönlichen arteriellen Okklusionsdrucks (AOP).
    Was ist AOP? Das ist der minimale Druck, bei dem der frische Blutzufluss in deinen Muskeln (aus den Arterien) gerade noch gestoppt wird. Er ist individuell (z. B. 100–150 mmHg am Arm, 150–250 mmHg am Bein) und lässt sich mit einem Messgerät (wie einem Doppler) bestimmen. So blockierst du hauptsächlich den Abfluss (Venen), während genug Blut reinkommt – perfekt für effektives Training bei leichter Last.
    Beispiel: Bei 150 mmHg AOP am Arm nimmst du 60–120 mmHg.
  • Achtung vor zu hohem Druck: Wenn du über 80 % AOP gehst, kann das zu Schmerzen, Kribbeln/Taubheitsgefühlen oder sogar Gefässschäden führen. Starte immer niedrig (bei 40 %) und steigere dich langsam.

So trainierst du am sichersten

Am besten nutzt du professionelle BFR-Systeme, die den Druck automatisch messen und regeln – wie KAATSU, SmartCuffs oder Delfi. Diese Geräte sind benutzerfreundlich, genau und minimieren Fehler. Für Zuhause: Investiere in ein günstiges Messgerät (z. B. einen Taschendoppler für 100–200 €).

Wichtiger Hinweis zur Sicherheit

Wenn du Herz-Kreislauf-Probleme, Bluthochdruck oder ein Thromboserisiko hast, spreche BFR-Training unbedingt vorher mit deinem Arzt ab. Es ist super schonend, aber nicht für jeden geeignet – besser safe als sorry!

Typisches BFR-Workout: So läuft es ab

Ein klassisches BFR-Workout folgt einem einfachen Schema mit hohen Wiederholungen und kurzen Pausen. Die Manschette bleibt während der Sätze angelegt, um den Blutfluss zu restriktieren – das schafft den intensiven «Pump»-Effekt. Hier die Struktur:

Satz Wiederholungen Pause Manschette
1 30 30 Sekunden Bleibt angelegt
2 15 30 Sekunden Bleibt angelegt
3 15 30 Sekunden Bleibt angelegt
4 15 Danach lösen Sofort entfernen

Wichtige Basics:

  • Intensität: Verwende nur 20–30 % deines maximalen Gewichts (1RM) – also leichte Lasten, die du locker stemmen kannst.
  • Häufigkeit: 2–3 Mal pro Woche, mit mindestens einem Ruhetag dazwischen, damit sich die Muskeln erholen.
  • Ziele: Der Fokus liegt auf Muskelaufbau, Rehabilitation (z. B. nach Verletzungen) oder Aktivierung (das «Wecken» der Muskeln für bessere Leistung).

Nach dem Training: Löse die Manschette immer sofort und lass den Bereich 1–2 Minuten locker durchbluten. Das fördert die Erholung und transportiert Abfallstoffe (wie Laktat) aus den Muskeln ab – so vermeidest du Schwellungen oder Müdigkeit.

BFR-Oberkörper-Programm: Ein Beispiel für den Einstieg

Dieses Programm zielt auf Muskelaufbau, Aktivierung der Muskelfasern und schonende Belastung der Gelenke ab – ideal, wenn du Gelenke schützen möchtest.

  • Häufigkeit: 2–3 Mal pro Woche, z. B. montags und donnerstags.
  • Dauer: Etwa 45–60 Minuten.
  • Benötigte Ausrüstung: BFR-Manschetten, Hanteln, Kabelzug oder eine Fitnessmaschine.

Aufwärmen (5–10 Minuten)Starte sanft, um Verletzungen zu vermeiden und den Blutfluss anzuregen:

  • Leichtes Cardio: Rudern, Fahrrad-Ergometer oder Seilspringen.
  • Mobilitätsübungen: Schulterkreisen, Armkreisen und leichte Übungen für die Rotatorenmanschette (die stabilisierenden Schultermuskeln).
  • Abschluss: 1 Satz Liegestütze (Push-Ups) ohne Manschette – das aktiviert die Muskeln vorab und bereitet sie auf die Belastung vor.

Trainingsplan

Übung Sätze Wiederholungen Pause BFR Manschette
Brustpresse (Maschine) 1 30 30 Sek. bleibt angelegt
3 15 30 Sek. bleibt angelegt
Rudern am Kabelzug 1 30 30 Sek. bleibt angelegt
3 15 30 Sek. bleibt angelegt
Seitheben (Kurzhantel) 1 30 30 Sek. bleibt angelegt
  3 15 30 Sek. bleibt angelegt
Bizeps-Curls (Kurzhantel oder Kabel) 1 30 30 Sek. bleibt angelegt
  3 15 30 Sek. bleibt angelegt
Trizeps Pushdowns (Kabel) 1 30 30 Sek. bleibt angelegt
  3 15 30 Sek. bleibt angelegt
 

Tipp: Nach dem letzten Satz die Manschette sofort lösen und 1 – 2 Minuten locker ausschwingen, um die Durchblutung wiederherzustellen.

 Hinweise zur Intensität
  • Gewicht: 20 – 30% des 1RM
  • Tempo: 2 Sekunden konzentrisch, 2 Sekunden exzentrisch
  • Manschettendruck: 40 – 80% des arteriellen Okklusionsdrucks (AOP)
 Regeneration und Progression
  • 48 h Pause für den Oberkörper zwischen BFR-Einheiten
  • Nach 2 – 3 Wochen Gewicht leicht erhöhen oder zusätzliche Wiederholungen (z.  +2)
  • Bei Reha: Fokus auf Technik, sanfte Steigerung
Vorteile dieses Programms
  • Gelenkschonend: Geringer Widerstand → weniger Belastung für Schulter- und Ellenbogengelenke
  • Muskelaktivierung: Typ-II-Fasern werden auch bei leichten Gewichten stark aktiviert
  • Effizient: 20 – 30% 1RM erzeugt trotzdem hohen Wachstumsreiz
  • Flexibel: Kann mit normalen Krafttrainingstagen kombiniert werden

Fazit

Blood Flow Restriction Training, auch bekannt als Blutflussrestriktionstraining oder Okklusionstraining, ist eine wissenschaftlich fundierte Methode, die Muskelkraft, Ausdauer und Regeneration verbessern kann.

Vorteile:

  • Muskelaufbau bei niedriger Belastung
  • Schonend für Gelenke und Sehnen
  • Effektiv in Rehabilitation und Prävention

Richtig angewendet bietet BFR-Training sowohl Anfängern als auch Profis die Möglichkeit, schneller und sicherer Fortschritte zu erzielen.

 

FAQ: Häufig gestellte Fragen zum BFR-Training

  1. Ist Blood Flow Restriction Training sicher?
    Ja, bei korrekter Anwendung ist BFR-Training sicher, selbst bei älteren Menschen oder in der Rehabilitation. Entscheidend sind:
  • Richtige Manschettenbreite und Druck
  • Keine bestehenden Herz-Kreislauf- oder Gefässprobleme (ansonsten nur mit vorheriger ärztlicher Rücksprache)
  • Sauberes Aufwärmen und langsame Steigerung der Belastung
  1. Wie oft darf man BFR trainieren?
    Für Muskelaufbau oder Reha empfiehlt sich 2 – 3 Einheiten pro Woche pro Muskelgruppe. Mehr ist meist nicht nötig, da der metabolische Stress sehr intensiv ist.
  2. Kann BFR das normale Krafttraining ersetzen?
    Nein, BFR ist kein Ersatz für schwere Grundübungen, sondern eine Ergänzung. Es eignet sich besonders für:
  • Phasen, in denen schwere Gewichte nicht möglich sind
  • Gezieltes Training kleiner Muskelgruppen
  • Rehabilitation nach Verletzungen
  1. Wie lange sollte eine BFR-Einheit dauern?
    Typischerweise dauert ein Training 15 – 30 Minuten pro Muskelgruppe. Die Manschetten bleiben nur während der Sätze angelegt und werden danach gelöst, um die Durchblutung wieder zu normalisieren.
  2. Funktioniert BFR auch für Ausdauertraining?
    Ja, Studien zeigen, dass BFR-Training die Kapillarisierung und die aerobe Leistungsfähigkeit verbessern kann. Radfahrer, Läufer und Triathleten können BFR gezielt in leichtes Ausdauertraining integrieren.
Quellen:
  • https://fis.dshs-koeln.de/de/publications/blutflussrestriktion-erh%C3%B6ht-die-vo2max-bei-gut-trainierten-rudere
  • https://www.zeitschrift-sportmedizin.de/vergleich-eines-akuten-krafttrainings-auf-die-laktatkonzentration-mit-und-ohne-blutflussrestriktion-bei-unterschiedlichen-widerstaenden/
  • https://www.bisp.de/SharedDocs/Downloads/Publikationen/Publikationssuche_Sonderpublikationen/BFRPositionspapier.pdf?__blob=publicationFile&v=2
  • https://www.ernster.com/de/detail/ISBN-9783389029619/Morosi-Rebecca/Auswirkungen-von-Blood-Flow-Restriction-Training-auf-Muskelkraft-und-Hypertrophie-bei-Personen-mit-muskuloskelettalen-Erkrankungen-bzw.-Einschr%C3%A4nkungen